Die vergangenen Monate war es ruhig, nun wird Frankreich erneut vom Terror heimgesucht. Drei Menschen sterben, ein mutmaßlicher Terrorist wird erschossen. Eine Kleinstadt im Süden steht unter Schock.

Carcassonne - Schwerbewaffnete Elitepolizisten, abgesperrte Straßen, Sirenengeheul, Hubschrauberlärm: Frankreich ist mit dem Terroranschlag in einem Supermarkt im Süden des Landes wieder im Krisenmodus. Die sonst beschauliche Kleinstadt Trèbes unweit der mittelalterlichen Touristenmetropole Carcassonne im Département Aude ist Schauplatz einer dramatischen Geiselnahme, die das Land für Stunden in Atem hält. Dabei tötet der Angreifer zwei Menschen, ein weiterer stirbt bereits vorher bei der Attacke mit einem Auto.

 

In Trèbes drang der 26-jährige Mann in den Supermarkt der Kette Super U ein, es fielen Schüsse. Die französischen Behörden hatten den Supermarkt-Angreifer von Südfrankreich in der Vergangenheit schon wegen mutmaßlicher Radikalisierung auf dem Schirm. Der Mann habe seit 2014 wegen Verbindungen zur salafistischen Bewegung in einer Datenbank gestanden, sagte der Anti-Terror-Staatsanwalt François Molins am Freitag in Carcassonne. Eine Überwachung im Jahr 2016 und 2017 habe aber keine Anzeichen erbracht, die hätten vermuten lassen, dass der Mann zu einer Terror-Tat schreiten könnte. Bei der unvorhergesehenen Attacke berief er sich auf die IS-Terrormiliz, die den Anschlag später auch für sich reklamierte.

Vor dem Überfall auf den Supermarkt griff der Mann in Carcassonne mit einem Auto Menschen an und verletzte einen Polizisten an der Schulter. Am Ende wurde der mutmaßliche Terrorist beim Zugriff der Polizei erschossen.

Die Stadt wurde komplett abgeriegelt

„Ich habe Schüsse gehört, aber ich habe ihn nicht gesehen“, erzählte ein Metzger dem Nachrichtensender BFMTV. Der Handwerker konnte sich über einen Hintereingang des Supermarkts in Sicherheit bringen. Andere Geiseln retteten sich in eine benachbarte Autowerkstatt. Einige Kunden und Mitarbeiter des Supermarkts hätten sich in der Werkstatt versteckt, berichtete eine Angestellte dem Radiosender RTL. Die Leute seien ruhig geblieben, denn sie hätten gewusst, dass sie in Sicherheit waren.

Sicherheitskräfte riegelten die Stadt mit rund 5 500 Einwohnern komplett ab. Viele Bewohner waren unter Schock. „Alles ist blockiert“, sagt eine Frau dem Sender France Inter. „Keiner darf jemanden abholen. Ich muss zuhause bleiben.“

Eltern wurden aufgerufen, ihre Kinder nicht aus der Schule abzuholen. Die Schüler seien in Sicherheit und würden versorgt, versicherten die Behörden. Sie befürchteten, dass der Angreifer Komplizen haben könnten. Letztlich stellte sich heraus: Es war ein Einzeltäter.

Polizist ließ sich gegen Geisel austauschen

Im Supermarkt gab es während der Stunden der Angst mindestens einen Helden: Ein Polizist ließ sich gegen eine Geisel austauschen. Der Beamte ließ sein Telefon mit einer offenen Verbindung auf einem Tisch liegen. So hätten die Einsatzkräfte hören können, was sich im Supermarkt abspielte. Als Schüsse fielen, seien sie eingeschritten, berichtete Innenminister Gérard Collomb an Ort und Stelle.

Es war eine trügerische Ruhe in Frankreich in den vergangenen sechs Monaten. Es wurden Attentate vereitelt, unter anderem auf Armeekräfte und eine Sportstätte, aber es gab keine Opfer. Nach dem Anschlag in Trèbes bilanzierte Ressortchef Collomb: „Wir sind in einer kleinen, ruhigen Stadt. Leider ist die Bedrohung überall.“

Einen tödlichen Anschlag hatte es im Oktober vergangenen Jahres gegeben, vor dem riesigen Bahnhof St. Charles in Marseille. Ein 29-Jähriger erstach zwei Frauen und wurde dann getötet.

Neue Qualität von Anschlägen

Auch diese Tat nahm der IS für sich in Anspruch. Seit Jahren ist Frankreich Ziel islamistischen Terrors, mehr als 240 Menschen wurden dabei aus dem Leben gerissen. Der Kampf gegen den Terrorismus ist eine der Hauptaufgaben der französischen Mitte-Regierung von Premier Édouard Philippe.

Staatspräsident Emmanuel Macron meldete sich auch deshalb mit ernster Miene vom EU-Gipfel in Brüssel: Es gebe inzwischen vielen Menschen, die sich selbst radikalisiert hätten. Einige hätten Krankheitssymptome, andere nicht. „Wir sind (...) nicht mehr in einer Lage wie vor zwei oder Jahren“, resümierte der Staatschef. Damals seien Anschläge vom irakisch-syrischen Kriegsgebiet gesteuert worden. Der 40-Jährige hatte dabei auch die verheerende Attacke vom November 2015 in Paris im Blick, bei der 130 Menschen starben.