Wenn es um Bäume herum aussieht wie auf einem Schlachtfeld, waren vermutlich Gelbkopfamazonen am Werk. Die Cannstatter Papageien sind Naschkatzen und picken sich nur das Beste von den Zweigen immergrüner Pflanzen wie Eiben.

Bad Cannstatt - Zu überhören sind sie nie, die Papageien von Cannstatt: Durchdringendes Krächzen ist ihr Markenzeichen. Zu übersehen sind sie auch nicht – das gilt sowohl für die quietschgrünen Vögel mit dem namensgebenden gelben Kopf selbst als auch für die Schlachtfelder, die ein hungriger Trupp an manchen Stellen im Stadtbezirk hinterlässt. „Kürzlich fielen einmal mehr circa 30 Gelbkopfamazonen über meine stattliche Eibe her. Nach zehn Minuten sah es dann verheerend aus. Diese Tiere schlagen mit ihren Schnäbeln, offenbar auf der Suche nach Futter, die Äste mit einem Hieb ab und hinterlassen dann unschöne Verwüstungen“, erzählt Rainer Glöckle, der auf der Altenburg lebt und arbeitet. „Die Eibe sieht jetzt sehr zerrupft aus und ich kann nur hoffen, dass bis zum Frühjahr sich die Lücken wieder weitestgehend geschlossen haben.“

 

Glöckle ist nicht allein mit seiner Beobachtung: Auch in der Wilhelma sieht der Vogelkurator Günther Schleussner regelmäßig, dass die Gelbkopfamazonen die Eiben anknabbern. „Leider gehen sie beim Fressen sehr selektiv vor, reißen mit ihren Krallen ganze Zweige ab und picken sich heraus, was ihnen am besten schmeckt“, so der Experte. Die Überreste bleiben am Boden liegen. Vor allem die roten Beeren und die Knospen der Eiben schmecken den Papageien, im Winter steht aber auch Rinde auf dem Speiseplan. „Als immergrüne Pflanze sind Eiben im Herbst und Winter ein beliebtes Nahrungsmittel für Gelbkopfamazonen.“

Für Vögel ist die giftige Eibe unbedenklich

Obwohl die Pflanze hochgiftig ist, können die gefiederten Zuwanderer aus Mexiko die Eibe vertragen: „Was für ein Säugetier giftig ist, muss es nicht auch für Vögel sein“, erklärt Schleussner. Die Listen, was die eine oder andere Spezies vertragen könne, seien grundverschieden – so wäre zum Beispiel der Verzehr einer Avocado für Vögel lebensbedrohlich, während die Früchte und Knospen der Eibe gänzlich unbedenklich sind.

Die optische Verwüstung sei freilich ärgerlich für Gartenbesitzer: „Wenn ein Trupp Gelbkopfamazonen sich über einen Baum hermacht, kann es danach schon aussehen wie auf dem Schlachtfeld“, weiß Schleusner. Viel dagegen tun könne man nicht. Schließlich handele es sich bei den Gelbkopfamazonen um frei lebende, geschützte Vögel – es gibt weltweit in freier Wildbahn weniger als 7000 Exemplare. In ihrer Heimat Mexiko sind die Tiere gefährdet. Bei den inzwischen rund 50 Vögeln in Bad Cannstatt handelt es sich um die einzige Population außerhalb Amerikas.

Alustreifen zur Abschreckung

Auch Rainer Glöckle fühlt sich angesichts der „gefiederten Überfälle“ in seinem Garten hilflos, würde den Tieren aber nie etwas antun: „Obwohl ich unter anderem auch Jäger bin, würde es mir nie in den Sinn kommen, diese Gelbkopfamazonen mit einer Schreckschusswaffe oder ähnlichem zu vertreiben“, sagt der Honorarkonsul der Republik Sudan. Dennoch ärgert er sich immer wieder über die Verwüstungen.

„Man kann versuchen, die Vögel mit üblichen Mitteln fernzuhalten und zum Beispiel glitzernde Alustreifen oder rote Luftballons im Garten aufhängen“, sagt Günther Schleussner. Dies könne zumindest eine Zeitlang eine abschreckende Wirkung haben. Allerdings seien die Papageien von Cannstatt durch das Stadtleben einiges gewöhnt und würden sich vermutlich nicht lange fernhalten lassen – immerhin leben sie schon seit den 80er Jahren am Neckar und haben sich an den Trubel der Großstadt gewöhnt.