Mit 30 Jahren Verspätung tritt der Herzog von Edinburgh in den Ruhestand – wenige Wochen vor seinem 96.Geburtstag. Eine Nacht lang hielt der Palast alle Welt in Ungewissheit über die Neuigkeit bei Hofe. Das stiftete erhebliche Aufregung und einen voreiligen Nachruf.

Korrespondenten: Peter Nonnenmacher (non)

London - Am Mittwoch eröffnete Prinz Philip noch eine neue Sporttribüne in London. Im legendären Lord’s Cricket Ground scherzte er: „Ich bin ja wohl der erfahrenste Enthüller von Gedenktafeln in der ganzen Welt.“ Tags darauf verkündete der Buckingham-Palast, das Gedenktafel-Enthüllen werde Philip demnächst weniger erfahrenen Familienmitgliedern überlassen. Im September dieses Jahres tritt der Herzog von Edinburgh, der Gemahl der Königin von England, in den Ruhestand.

 

Verdenken kann ihm das niemand, nach seiner langen Dienstzeit. Die Queen, hieß es, stehe voll hinter dem Beschluss. Im Juni wird Philip 96. Im November feiern er und die 91-jährige Königin ihr siebzigstes Hochzeits-Jubiläum. Selbst für die älteste Generation im Königreich sind die Anfänge der „elisabethanischen Ära“ ferne Geschichte. Seit dem Februar vor 65 Jahren, in dem Elizabeth Königin wurde, war Philip ihr Begleiter, tat er als „Consort“ der Queen seine Pflicht.

Noch im vergangenen Jahr absolvierte er an 110 Tagen mehr als 200 offizielle Auftritte. Das sind mehr als die meisten anderen Mitglieder der königlichen Familie. Er ist Schutzherr, Präsident oder Mitglied von mehr als 780 Verbänden im Land. Mittlerweile hat Philip offenbar das Gefühl, dass er sich das nicht mehr zumuten muss, für den Rest seines Lebens.

Zu den Gartenpartys will der Prinz schon noch kommen

Zu den schon gebuchten Terminen, wie den Gartenpartys dieses Sommers, werde der Herzog sich noch blicken lassen, erklärte man im Buckingham-Palast gestern. Danach werde er keine neuen Einladungen mehr annehmen – was ihn nicht daran hindere, „von Zeit zu Zeit“ an einem öffentlichen Ereignis teilzunehmen.

Dass er das nach Kräften auch tun wird, daran zweifelt im Königreich niemand. Schon zu seinem 90-Geburtstag, vor sechs Jahren, hatte Philip ja angekündigt, er wolle es langsamer angehen lassen, er habe sein Soll erfüllt. „Besser aufzuhören, bevor man sein Haltbarkeits-Datum überschreitet“, sagte er damals grinsend. „Etwas weniger Verantwortung, etwas weniger Rumrennen“ wäre nicht schlecht, machte er deutlich. „Außerdem lässt mich das Gedächtnis im Stich. Namen fallen mir nicht mehr ein.“

Ein paar Mal musste er gesundheitsbedingt aussetzen

An seinen guten Vorsatz halten mochte er sich allerdings nicht, in den folgenden Jahren. Auslandsaufenthalte wurden gestrichen, aber im Land selbst war er, wie all die Jahrzehnte zuvor, präsent. Ein paar Mal musste er gesundheitsbedingt aussetzen. Zu Weihnachten 2011 musste er sich einen Koronarstent einsetzen lassen. Im Sommer darauf verpasste er wegen einer bösen Blasenentzündung das Konzert zum Diamantenen Dienstjubiläum der Königin.

Ein Jahr später verbrachte er seinen 92.  Geburtstag und zehn weitere Tage in einer Londoner Klinik. Im vergangenen Winter waren er und Elizabeth gezwungen, wegen einer schweren Grippe ihre Teilnahme am traditionellen Weihnachts-Gottesdienst in Sandringham Castle abzusagen. Sie mussten längere Zeit das Bett hüten und blieben unsichtbar.

Die Sun meldete einen Nachruf in ihrer Online-Ausgabe

So war es wohl kein Wunder, dass einige Aufregung herrschte, als in der Nacht auf Donnerstag plötzlich bekannt wurde, dass der Lord Chamberlain, der Chef des königlichen Haushalts, und der Privatsekretär der Queen sämtliche Mitarbeiter der Royals zu einer eilig angesetzten Versammlung im Buckingham einberufen hatten – mitten in einem Wahlkampf für eine Unterhauswahl. Es war eine höchst ungewöhnliche Maßnahme. Niemand wusste, worum es ging. Noch bevor der Morgen graute, verlor das Boulevardblatt „The Sun“ die Nerven und stellte einen Bericht mit dem Titel „Philip stirbt im Alter von 95“ ins Netz.

Zu dieser Zeit schwirrten fieberhafte Spekulationen ähnlicher Art durchs weltweite Web. Der Sun-Bericht verschwand allerdings wieder, so schnell er aufgetaucht war. Der Buckingham-Palast versicherte eilends, es gebe keinen Grund zur Besorgnis. Zwei Dutzend Kamerateams und Reporter aus aller Herren Länder, die sich wegen der rätselhafte Personalversammlung vor dem Palast tummelten, mussten sich begnügen mit der deutlich weniger sensationellen Erklärung zum Eintritt Philips in den Ruhestand.

Von einer Abdankung der Queen spricht niemand

Von Bedeutung ist diese Erklärung natürlich vor allem für die Queen und für den Rest der Windsor-Familie. Sobald Philip die Füße hochlegt, ist die Königin mehr auf sich selbst gestellt. Die Idee ist offenbar, dass Prinz Charles, der Thronanwärter, sie künftig zu den wichtigsten Auftritten und Staatsempfängen begleitet. Andere Aufgaben, wie das Gedenktafel-Enthüllen, sollen die übrigen Royals übernehmen.

Prinz William und seine Frau Kate ziehen diesen Sommer mit ihren beiden Sprösslingen von Sandringham zurück nach London. William gibt seinen Job als Ambulanz-Hubschrauberpilot auf. Er wird jetzt mehr als bisher vor Ort gebraucht. Von einer Abdankung der Queen spricht niemand. Aber die Zeiten ändern sich. Bei den Windsors genau wie im Rest der Welt.