Das Interesse an der Gemeinschaftsschule ist groß. Doch Warminski-Leitheußer blieb beim Auftakttermin zur neuen Schulform Antworten schuldig.  

Stuttgart - Das Interesse an der neuen Schulform Gemeinschaftsschule ist riesengroß. Kultusministerin Gabriele Warminski-Leitheußer (SPD) war geradezu überwältigt von den rund 1400 Besuchern, die zur Auftaktveranstaltung ins Ludwigsburger Forum am Schlosspark gekommen waren. Längeres gemeinsames Lernen, jedes Kind so fördern, dass seine Stärken am besten hervortreten, eine Lernkultur der Ermutigung - dieser pädagogische Anspruch lockt viele. In Ludwigsburg wollten Schulleiter, Lehrer, Bürgermeister und Eltern vor allem wissen, wie und unter welchen Bedingungen Gemeinschaftsschulen eingerichtet werden könnten.

 

Konkreter als die Kultusministerin wurde Norbert Zeller, der Leiter der Stabsstelle Gemeinschaftsschulen im Kultusministerium. An Gemeinschaftsschulen werde nach den Bildungsstandards von Hauptschule, Realschule und Gymnasium unterrichtet: "Jedes Kind soll zum bestmöglichen Abschluss geführt werden", postulierte er und machte auf Nachfrage klar, einen Werkrealschulabschluss gibt es an der Gemeinschaftsschule nicht. Möglich sind der Hauptschulabschluss und der Realschulabschluss. Wer nach der zehnten Klasse auf das allgemeinbildende Gymnasium wechseln will, wiederholt dort die zehnte Klasse. Das Ministerium werde die Bildungspläne umschreiben, so dass sie zwischen den Schularten kompatibel sind. Das wird laut Zeller aber bis etwa 2015/16 dauern. Die ersten Gemeinschaftsschulen, die im kommenden Schuljahr beginnen sollen, werden daher, so Zeller, in den Jahrgangsstufe fünf und sechs zunächst den Bildungsplan der Realschulen einsetzen. Zeller legte dar, dass der Kern der Gemeinschaftsschulen die Klassen fünf bis zehn sind, dass sie in der Regel mindestens zweizügig sein sollten.

Keine konkrete Antwort

Das verunsichert manche Bürgermeister. Sie fragen, wie man Schülerzahlen planen soll, wenn die Grundschulempfehlung geändert worden ist und Eltern für ihre Kinder vom kommenden Schuljahr an die Schulart frei wählen können. Da blieb Zeller eine konkrete Antwort schuldig.

Wie es denn aussehe mit Lehrerdeputaten, mit Schulsozialarbeitern und dem Personalbedarf für den Ganztagsbetrieb, der als Bedingung für die Gemeinschaftsschulen gilt, stellte ein Schulleiter die Kernfragen, die das Publikum bewegten. Norbert Zeller sagte zu, "bei der Lehrerzuweisung orientieren wir uns an der Ausstattung der Ganztagsschule". Für die individuelle Förderung soll es zusätzliche Lehrerstunden geben. Für die Kultusministerin ist es "eine Selbstverständlichkeit, dass wir als Land uns an der Finanzierung der Schulsozialarbeit beteiligen". Die Verhandlungen mit den kommunalen Landesverbänden stehen aber noch aus. Grundsatzfragen, wie eigentlich die bisherige Bemessung der Lehrerarbeitszeit nach Unterrichtsstunden mit der angestrebten neuen Lernkultur zusammenpasse, blieben im Ungefähren. Zeller betonte, "entscheidend für das Gelingen der Gemeinschaftsschule ist die Einstellung, nicht die Ausstattung". Das rief jedoch im Publikum eher gedämpfte Reaktionen hervor.

Zwei Gemeinschaftsschulen in der Schublade

Das Kultusministerium war mit der kompletten Amtsspitze inklusive Staatssekretär und Amtschefin angetreten, doch viele Lehrer setzen keine allzu großen Hoffnungen in die Politik. Claudia Leber, von einer Werkrealschule aus Albershausen im Kreis Göppingen etwa, zog es mehr an die Schautafeln der Schulen, die schon erste Schritte im gemeinsamen Lernen tun. Dazu gehören beispielsweise die Geschwister-Scholl-Schule Tübingen, die Bodensee-Schule St. Martin oder die Freie Schule Anne-Sophie in Künzelsau.

Ähnlich erging es Winfried Bauer, der aus Ulm angereist war. Dort leitet er eine Grundschule mit Werkrealschule und hat mit Kollegen schon Konzepte für zwei mögliche Gemeinschaftsschulen in Ulm in der Schublade. "Ich möchte mich mit Kollegen austauschen und die Projekte anderer Schulen kennenlernen", sagt der Schulleiter. Die pädagogischen Konzepte, wie sie auch der Schweizer Schulinnovator Peter Fratton in Ludwigsburg vorstellte, sind Bauer nicht fremd. "Wir wissen, wie gemeinschaftliches Lernen geht", sagt Bauer, er ist auch sicher, Eltern würden ihre Kinder auf eine Gemeinschaftsschule schicken. "Aber man muss die Bedingungen schaffen, die verändertes Lernen ermöglichen", verlangt der Schulleiter. Dazu gehören die Räumlichkeiten, die notwendigen Lehrerstunden und die Ausstattung. Da sind die Städte gefragt und das Land.

Für die neue Schulart starkmachen

Im Land will sich die Kultusministerin für die neue Schulart, die im Schuljahr 2012/13 mit vermutlich 30 Schulen starten soll, starkmachen. "Ich bin die Anwältin der Schulen im Land, meine Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass Sie das notwendige Handwerkszeug haben", versprach die Ministerin den Lehrern im Publikum. Sie stellte Fortbildungen zur individuellen Förderung in Aussicht und kündigte an, die Lehrerausbildung an die neuen Anforderungen anzupassen.

Norbert Zeller ist davon überzeugt, dass sich die Investitionen lohnen werden. "Die Gemeinschaftsschule bietet Vorteile über Vorteile: sie bietet bestmögliche Lernbedingungen für die Schüler, einen Standortvorteil für die Gemeinden und den Lehrern hohe Arbeitszufriedenheit", sagte der amtliche Wegbereiter der neuen Schulart.