Landwirte sind enttäuscht von der Politik: Im Kreis Ludwigsburg fehlen wegen der Coronakrise nicht nur viele Erntehelfer, sondern auch Abnehmer wie Großkantinen und Lokale. Soforthilfen seien kein Allheilmittel, schimpfen Kritiker.

Kreis Ludwigsburg - Künstler, Studenten oder von heute auf morgen gekündigte Servicekräfte aus der Gastronomie – Menschen aus allen Bereichen möchten sich als Erntehelfer verdingen. „Ich bekomme täglich bis zu 200 Anrufe“, sagt Frank Scheuler, „aber das nützt mir nichts.“ Der Löchgauer Landwirt ist enttäuscht von den Ansagen der Regierung. „Selbst wenn ich einen Teil meines Spargels ernten kann, an wen soll ich ihn denn verkaufen?“ Scheuler beliefert bevorzugt große Betriebskantinen und Restaurants und die sind alle geschlossen. Auch den versprochenen „unbürokratischen finanziellen Soforthilfen für Landwirte“, die das Land am Sonntag bekräftigt hat, begegnet er mit Skepsis.

 

Die Politiker wüssten nicht, wovon sie redeten, meint auch Rolf Jaiser aus Freiberg am Neckar: „Die sollten alle einmal bei einer Ernte zuschauen.“ Die Arbeit gehe „brutal auf den Rücken“ und sei nicht so einfach, wie viele glaubten, meint Eberhard Zucker, der Vorsitzende des Kreisbauernverbands (KBV) Heilbronn-Ludwigsburg. Bei den Erdbeeren könne man alles pflücken, was rot sei, aber beim Spargel brauche es Erfahrung, weil man nicht sehe, wie tief man stechen muss.

Landwirte freuen sich sogar über Nachtfrost

„Man kann Spargel totstechen“, sagt Jaiser. Die Helfer, die seit Jahren aus Polen oder Rumänien anreisten, hielten diese harte Arbeit monatelang aus, sagt er: „Die beißen die Zähne zusammen. Aber Ungeübte machen das nicht einmal eine halbe Stunde.“ Jaiser erinnert an 2008. „Damals hatte man die Saisonarbeiter kontingentiert, weil man bei der Ernte Langzeitarbeitslose einsetzen wollte, um sie ins Arbeitsleben zu bringen“, sagt er, „aber das war ein Fiasko.“

Der Einsatz der Helfer müsse sich auch rechnen, meint Scheuler, der in Löchgau und in Korntal-Münchingen großflächig Gemüse anbaut: „Ein Profi holt mir 100 Kilo Spargel am Tag, jemand ohne Routine nicht einmal zehn Kilo.“

Zwar spiele das Wetter seit Jahresanfang so verrückt wie die Politik und die Wirtschaft, meint der Ludwigsburger Uwe Würth aus Ludwigsburg. „Aber in dieser Woche habe ich mich das erste Mal darüber gefreut, dass es im März noch einmal Frost geben hat“, sagte er vergangenen Donnerstag. Eine Freude, die auch die anderen Landwirte teilen, denn damit haben sie etwas Zeit gewonnen. Die nächtlichen Minustemperaturen haben die Vegetation noch einmal verzögert.

Das hat die Hoffnung genährt, dass möglicherweise ein Großteil der Ernte erst nach Ostern eingeholt werden muss. Und – so der weitere Gedankengang – vielleicht ist bis dahin die strenge Einreisesperre für Saisonarbeiter aus Osteuropa zumindest gelockert.

Die Vorhut der Erntehelfer ist da

„Dieser Einreisestopp ist ein Riesenproblem“, sagt der KBV-Vorsitzende Zucker. Auch wenn die Betriebe im Kreis Ludwigsburg nicht so groß seien wie etwa die in Baden oder der Pfalz: „Ich mag mir gar nicht vorstellen, was passiert, wenn die Früchte auf den Feldern verfaulen.“ Sollte es so weit kommen, werden die Menschen rebellieren, glaubt Scheuler: „Die Politiker sollten sich das gut überlegen.“ Zwar könne man den Spargel noch als Luxusgut abtun, aber wenig später müssen Erdbeeren, Gemüse und das übrige Obst geerntet und die Weinstöcke für die neue Saison vorbereitet werden.

„Ich muss mich entscheiden, ob ich in die volle Ernte gehe“, sagt Uwe Würth, der auf einer 25 Hektar großen Fläche bei Pflugfelden Spargel anbaut. Er hätte zumindest für einen ersten Schwung fünf Helfer aus Rumänien, die bereits im Land sind. Auf längere Sicht aber bräuchte er zehnmal so viele. Auch Scheuler, der auf 60 Hektar Spargel angepflanzt hat, zögert noch: Bei ihm sind sogar schon 25 Helfer aus Polen eingetroffen, alle erfahren, weil sie schon seit Jahrzehnten stets im Frühjahr bei ihm arbeiten. Sie könnten also relativ viel vom Feld holen, aber noch ist unklar, wie viel verkauft werden kann.

Nicht geernteter Spargel verdirbt nicht

Zumindest beim Spargel gibt es eine Alternative: Man kann die Pflanzen austreiben lassen. Dann erholen sie sich und die Ernte im nächsten Jahr wird vermutlich sogar besser. „Das geht bei den Erdbeeren natürlich nicht“, sagt Jaiser. „Die sind einjährig, und ich habe schon wieder die Pflanzen für 2021 bestellt.“ Werden sie nicht geerntet, verfaulen die Beeren am Stock. „Das ist dann auch nicht sehr hygienisch“, sagt Jaiser.

Martin Maisch aus Gerlingen baut zwar selbst keine Erdbeeren an, aber er verkauft sie in seinem Hofladen und an diversen kleinen Ständen in der Umgebung. „Bis jetzt weiß ich noch nicht, wie das wird“, sagt der Landwirt, der vor allem Getreide anbaut. „Ich bekomme die meisten Erdbeeren von Landwirten im Remstal. Ich lasse mich überraschen.“

„Die Leute kochen wieder zu Hause“

Auch Würth, der Spargel und Erdbeeren anbaut, belieferte in den vergangenen Jahre vor allem Großfirmen. „Ich versuche jetzt, in Supermarktketten reinzukommen“, sagt er. Aber das ist nicht nur schwierig, das ist auch ein Schritt, den er bisher strikt abgelehnt hat. Im übrigen hofft er auf einen Zuwachs an Privatkunden. „Es ist ja jetzt so wie vor 10 oder 15 Jahren, als es noch kaum Tagesstätten und noch keine Kernzeitbetreuung an Schulen gegeben hat: Die Leute kochen jetzt wieder jeden Mittag zu Hause.“

Scheuler, der in Löchgau auch den Scheuler-Hofladen und seit 2014 in Münchingen den Spargelhof Hengel betreibt, will dort jetzt zusätzlich warme Speisen zur Mitnahme anbieten. „Wir müssen eben andere Strategien fahren“, sagt er. Die Zusagen der Bundespolitiker in Berlin, Selbstständigen mit Geld auszuhelfen, sieht er skeptisch: „Das hilft vielleicht einem kleinen Friseurladen, aber nicht uns Landwirten.“

Diese Krise sei schon elementar, sagt Bauernverbandschef Zucker. „Aber ich bin trotz allem Optimist. Ich hoffe, dass es nicht so schlimm kommt, dass alles auf den Äckern verfault.“