Der Tübinger Biologe Johannes Krause erforscht das Erbgut der Frühmenschen. In einem Vortrag in Stuttgart berichtet er, was diese DNA über unsere Vorfahren verrät.

Stuttgart - Wissenschaft entspannt bei einem Glas Bier – das ist das Konzept der Veranstaltungsreihe „Science Pub“ in der Stuttgarter Rosenau. Dabei ging es dieses Mal um das Genom der  Urmenschen. Und so brachte Ulrich Schmid vom Stuttgarter Naturkundemuseum – einem der Veranstalter der Reihe – den Abguss eines besonders wertvollen Stücks aus der musealen Sammlung mit: den Schädel des Steinheimer Menschen, der 1933 in Ablagerungen der früheren Murr gefunden wurde. Für dieses Fossil interessieren sich auch die Paläogenetiker – vielleicht könnte es in Zukunft das Bild vom Stammbaum des Menschen ergänzen.

 

Die Erforschung des Erbguts unserer Vorfahren hat in jüngster Zeit gewaltige Fortschritte gemacht. Warum, das erläuterte auf unterhaltsame Weise der Tübinger Professor Johannes Krause, der seit Sommer einer der beiden Gründungsdirektoren des Max-Planck-Instituts für Geschichte und Naturwissenschaften in Jena ist. Getragen wird die rasante Entwicklung in der Frühmenschen-Genetik vor allem durch die Hochleistungs-Sequenzierung von genetischem Material. Damit lässt sich die Abfolge der Bausteine der DNA, also des menschlichen Erbguts, analysieren. Die Preise hierfür sind in den vergangenen Jahren so dramatisch gesunken, dass Johannes Krause seinen Eltern eine individuelle Genom-Analyse geschenkt hat. „Wie viel Neandertaler allerdings in meinen Eltern steckt, das werde ich nicht verraten“, fügte er schmunzelnd hinzu.

In heutigen Europäern steckt Neandertaler-DNA

Damit war der Archäogenetiker bei einem zentralen Thema seines Vortrags, dem Neandertaler. Es erwies sich zunächst als recht schwierig, aussagekräftiges Erbmaterial zu bekommen. Rund 70 Knochen von Neandertalern aus 16 Fundstellen habe er im Zuge seiner Doktorarbeit angebohrt, wobei schließlich nur vier Proben genügend DNA-Material für eine Erbgut-Entzifferung enthalten hätten, berichtete Krause. Anschließend müssen aus dieser „Erbgut-Suppe“ mit DNA aus Bakterien, Pilzen, Pflanzen und Neandertalern die richtigen Informationen herausgefiltert werden – was nur mit ausgeklügelten Computerprogrammen geht. Kleine Anekdote: mit die besten Proben stammten aus Knochen, die fälschlicherweise zunächst Höhlenbären zugeschrieben worden waren.

Inzwischen ist das Genom des vor vielleicht 30 000 Jahren ausgestorbenen Neandertalers weitgestgehend rekonstruiert – und das auf einer sicheren und damit aussagekräftigen Basis. Damit aber werden Vergleiche mit dem Erbgut moderner Menschen aus allen Gegenden der Welt möglich. Und Aussagen, wie sich die beiden Menschengruppen vermischt haben – oder auch nicht. So tragen die heutigen Afrikaner keine Neandertaler-Gene in sich, Europäer und Menschen aus Papua dagegen schon, und zwar zu etwa 2,5 Prozent. „Bei mir ergab die Analyse 2,7 Prozent Neandertaler-DNA“, berichtete Krause.

Nun trägt keineswegs jeder Mensch dieselbe Neandertaler-DNA in sich. Insgesamt, so Krause, könnten 35 bis 40 Prozent des Neandertaler-Genoms im modernen Menschen versammelt sein. Vielleicht kann man ja einen Teil dieses Genoms nicht aus altem Knochenmaterial, sondern aus den genetischen Informationen aus heutigen Menschen zusammensetzen. Womöglich lässt sich auf diese Weise mehr über die körperlichen Merkmale oder das Aussehen der Neandertaler aussagen als über die Analyse von fossilem Material.