Sie lehnen sich verführerisch an Autos und lächeln hübsch in die Kamera – Hostessen beim Genfer Autosalon. Doch ist die Zeit der nackten Haut neben dem Autoblech nicht bereits vorbei?

Genf - Hostessen in engen Kleidern waren lange quasi Teil des auffälligen Marketings für die Produktneuheiten der Hersteller beim Genfer Autosalon. Die hübschen Damen am Genfersee waren oft nur spärlich bekleidet, zeigten dementsprechend viel Bein und trugen hohe Schuhe. Meist waren sie stark geschminkt und standen sehr nah neben einem neu vorgestellten Auto. Für Fotografen lieferten die so genannten „Booth Babes“ dadurch ein hübsches Bildmotiv. In der Bildergalerie können Sie sich die Hostessen der vergangenen Jahre anschauen.

 

Vor allem Genf galt lange Zeit als der Ort, an dem die Röcke im Vergleich zu den Automessen in Frankfurt oder Detroit besonders kurz waren. Auch beim diesjährigen Genfer Autosalon haben ein paar Hersteller nicht auf die schönen Accessoires verzichtet. Doch ist es wirklich noch zeitgemäß, Frauen derart einzusetzen?

So sieht das typische „Booth Babe“ aus

Manche würden argumentieren, dass man es mit der Political Correctness auch übertreiben könnte. Die Frauen hätten sich ja freiwillig dafür beworben. Und wenn das für die Hostessen in Ordnung sei, warum sollte es dann die Besucher stören?

Aber nicht jede Bewerberin schafft es als „Booth Babe“ in die Auswahl der Autohersteller, die noch mit solchen Hostessen arbeiten. Meist wird ein bestimmtes Aussehen der Damen vorausgesetzt. Schlank, groß und bildhübsch: So sieht das typische „Booth Babe“ aus. Doch können Autohersteller es sich überhaupt noch leisten, mit einem veralteten Rollenbild zu werben?

Zielgruppe: Mann!

Vorrangig männliche Kunden sollen mit dem aufreizenden Äußeren der Hostessen für die Autos begeistert werden. Doch schon lange liegt die Entscheidung zum Autokauf nicht mehr allein in den Händen der Männer. In Deutschland kaufen Frauen inzwischen rund ein Drittel aller Neuwagen. Dies ergab der neueste Report der Deutschen Automobil Treuhand GmbH.

Spärlich bekleidete Männer, die sich an die Autos schmiegen, werden in Genf allerdings vermisst. Würden für die Hersteller auch „männliche Hostessen“, also Hosts in Frage kommen? Das tun sie bereits! Dies entgegnet Daimler-Kommunikationsmitarbeiter Artur Demirci auf Nachfrage unserer Zeitung. Doch auf knappe Outfits verzichte Mercedes-Benz sowohl bei den Hostessen als auch bei den Hosts. Vielmehr setze der Autohersteller auf „inhaltliche Kompetenz, ein modernes Erscheinungsbild der Marke sowie Nahbarkeit“, erklärt Demirci.

So wählt Daimler aus

Demirci berichtet, dass die Damen und Herren bei Mercedes-Benz beispielsweise ein knallhartes Prozedere durchlaufen müssen, um als Host oder Hostesse auf dem Genfer Autosalon zu arbeiten. Wer am Messe-Stand von Daimler als Host arbeitet, ist „in der Regel mehrsprachig und beherrscht einen gepflegten Umgang mit unserem Klientel“, erzählt Demirci.

Zudem gibt es einen klar geregelten Onboarding-Prozess. Zukünftige Hosts und Hostessen schult das Unternehmen in Ausbildungsmodulen intensiv durch eigene Mitarbeiter und Experten. Dadurch sollen Kompetenzen aufgebaut und technische Fakten über die Autos gelernt werden.

„Weder provokant, noch enthüllend, und schon gar nicht halb bekleidet“

Es scheint eine Wende auf dem Autosalon zu geben. Die #MeToo-Debatte hat wohl auch die Automobilbranche erreicht. Sexuelle Übergriffe und der Missbrauch von Frauen in der Filmbranche haben die Öffentlichkeit aufgerüttelt und sensibilisiert.

Auch bei einigen Automobilherstellern scheint ein Umdenken stattgefunden zu haben. Bei einigen Herstellern fehlen die spärlich bekleideten Damen inzwischen komplett. Die Outfits der Hostessen sind weniger aufreizend als in den letzten Jahren. An der Bugatti-Rezeption auf dem Genfer Autosalon gab es dieses Jahr drei Hostessen und einen Host: „Letzterer im Anzug, die ersteren in einem geschmackvollen Hosenanzug mit einer Bluse. Weder provokant, noch enthüllend, und schon gar nicht halb bekleidet“, beschreibt Bugatti Pressesprecher Tim Bravo die Outfits.

Wandel der Aufgaben

Statt als Models werden die Damen und Herren am Messestand nun oftmals eher als „Car Explainer“ gesehen und beantworten den Besuchern ihre Fragen. Mit dem Messeauftritt will Hersteller Daimler den eigenen „Kundinnen und Kunden sowie Interessierten das beste Markenerlebnis bieten“.

Autofirmen, die sich für eine Frauenquote in der Führungsetage einsetzen, scheinen es sich nicht mehr leisten zu können, mit einem veralteten Frauenbild auf dem Autosalon zu werben. Ob die Hersteller um ihr Image fürchten, wenn sie zur heutigen Zeit mit sexistischen Rollenklischees werben?

Eine Zeit ganz ohne Auto-Accessoires

An die Stelle der Hostessen treten in jedem Fall immer häufiger Produktspezialisten wie Ingenieure*innen. Auch bei Bugatti. So pflegt das Unternehmen nach Bravo „den direkten Kontakt zum Kunden (auch Journalisten oder Partner) selbst, aber wichtige Hilfe in der Organisation und Logistik kommt von unseren Hosts und Hostessen“.

Wo früher bei Automessen hübsche Damen in knappen Outfits neu vorgestellte Fahrzeuge enthüllten, treten heute Mitarbeiter: „In diesem Jahr waren dies Achim Anscheidt, unser Bugatti Designchef, und Etienne Salomé, der Designer der La Voiture Noire“, erzählt Bravo. Ein Zeichen der Hersteller, die Arbeit des Teams zu würdigen, welches für die Entwicklung der Autos verantwortlich ist.

Branche ändert sich

Noch ist die Zeit, in der man Autos mit leicht bekleideten Damen präsentiert, nicht komplett vorbei. Doch es scheint ein Wandel in der Branche zu geben. Die Zahl der weiblichen Hostessen in kurzen Röckchen hat sich stark reduziert. Man kann gespannt sein auf den Genfer Autosalon 2020. Vielleicht sieht man dann ja den ein oder anderen hübschen Mann sich gegen ein Nobelauto lehnen. Oder noch verrückter: Die neu vorgestellten Autos sprechen dann ohne hübsche Accessoires ganz für sich allein...