Tesla glänzt mit extravagantem Design und Elektroantrieb. Audi will jüngere Käufer anlocken, und Maserati zielt auf solvente Kunden. Und dabei haben sie alle ein bestimmtes, stetig wachsendes Segment im Blick.

Genf - Kathrin Schira platzt fast vor Stolz. Alle Top-Leute waren da, berichtet die Kommunikations-Managerin strahlend: Daimler-Chef Dieter Zetsche, BMW-Chef Harald Krüger und Porsche-Aufsichtsratschef Wolfgang Porsche. Diese Spitzenvertreter der deutschen Autobranche ließen es sich trotz enger Terminpläne nicht nehmen, auf dem Genfer Autosalon am Stand des kleinen kalifornischen Elektroautobauers vorbeizuschauen, wo sie dessen neuesten Wagen intensiv begutachteten. Das Model X ist nach einem Roadster und einer Limousine das dritte Modell, mit dem der unkonventionelle Tesla-Chef Elon Musk den etablierten Autoherstellern zeigen will, wie man es schafft, Elektroautos zu entwickeln, die cool, sexy und begehrt sind. Zugleich steigt Tesla damit in den Wachstumsmarkt der Geländewagen ein.

 

Streng genommen ist es kein ganz richtiger Geländewagen. Richtige Geländewagen sind Autos in der Tradition der einst für die Mobilitätsbedürfnisse des Militärs entwickelten Urväter Jeep, Land Rover und Mercedes G-Klasse, die steinige Holperstrecken ebenso bewältigen wie Schlammpisten und Kletterpartien abseits befestigter Straßen. Für solch ein raues Terrain ist das Model X von Tesla nicht gemacht, das zur Spezies der SUV zählt, die in den letzten Jahrzehnten zunehmend in Mode gekommen sind. Die Abkürzung steht für Sports Utility Vehicles, die nur so aussehen, als wären sie für das Gelände, aber sich auf der Straße am wohlsten fühlen.

Der erste Tesla mit Anhängerkupplung

Oft haben diese Vehikel nicht einmal einen Allradantrieb. Auch beim Model X besitzt nur die teuerste Variante P90D einen Allradantrieb. Dieses Elektroauto ist mit einem Preis von 131 000 Euro alles andere als ein Schnäppchen. Dafür bietet es aber auch einige Superlative, wie Kathrin Schira berichtet. Das Model X sei windschlüpfrig wie kein anderes SUV, beschleunige in 3,4 Sekunden von Null auf hundert, was auch kein anderes Auto aus diesem Segment schaffe. Es habe die größte Windschutzscheibe und als einziges Elektroauto eine Anhängerkupplung.

Gewiss, räumt die Tesla-Expertin ein, wer einen Pferdetransporter ankopple, müsse Abstriche bei der Reichweite machen, die normalerweise bei jeder der drei Varianten bei 400 Kilometern oder mehr liege. Einzigartig seien auch die hinteren Flügeltüren, „Falcon Wing Doors“, wie Schira sie nennt. Sie schwingen nach oben auf wie die Flügel des Greifvogels. Die Flügeltüren sollen den Einstieg in den Fond des Siebensitzers erleichtern.

Viele Hersteller glänzen mit Neuheiten im SUV-Segment

Sehr speziell ist auch ein langer unscheinbarer Schlitz ganz unten an der Frontpartie, auf den Kathrin Schira aufmerksam macht. Hier wird Luft eingesaugt. Spezielle Filter sorgten dafür , dass die Luft im Auto unglaublich rein sei. Wer wolle, könne sich damit sogar gegen Angriffe mit Biowaffen schützen. Helfen die Filter aber auch bei einer Landpartie gegen penetranten Güllegestank? Darauf kann Tesla-Managerin leider keine Antwort geben. Das Model X von Tesla ist der spektakulärste Vertreter einer Vielzahl von Neuheiten aus dem Segment der Geländewagen. Premieren gibt es dabei in allen Größenklassen. Eine dieser Neuheiten im gehobenen Marktsegment ist der Maserati Levante, der dem längst etablierten Porsche Cayenne Konkurrenz machen soll. Und die spanische VW-Tochter Seat bringt mit dem Ateca ihren Erstling in diesem Segment.

Die Konzernschwester Skoda tastet sich mit der Fahrzeugstudie Vision S zunächst einmal vor, und testet auf der Messe, wie solch ein wuchtiger Wagen ankommen würde. Bei VW steht die Studie T-Cross Breeze im Rampenlicht, „das erste offene SUV seiner Klasse und gleichzeitig ein erschwingliches, freches Cabriolet“, so VW-Markenchef Herbert Diess. Bei Audi feiert der Q2 Weltpremiere, der etwas unterhalb von Mercedes-Benz GLA und BMW X1 im Subkompakt-Segment angesiedelt ist.

Kleineren Geländewagen gehört die Zukunft

Gerade der Markt für kleinere Geländewagen wird in den kommenden Jahren nach Einschätzung von Tim Urquhart vom US-Analyseunternehmen IHS Automotive besonders stark wachsen. Der Absatz der kleinen und kompakten Geländewagen wird nach Einschätzung des IHS-Experten in Europa (einschließlich Russland) bis 2022 um 40 Prozent auf 5,2 Millionen Autos zulegen, während der Gesamtmarkt nur um 13 Prozent auf knapp 19 Millionen Fahrzeuge wachsen soll.

Audi-Chef Rupert Stadler hat große Erwartungen an den neuen Geländewagen. Der Q2 sei eine „Eroberungsmaschine“, schwärmt Stadler. Audi werde damit viele neue Kunden gewinnen und dann an die Marke binden können. „Mit diesem Auto werden wir BMW und Mercedes-Benz von unten anfräsen“, sagt Stadler. Daimler-Chef Zetsche bleibt trotz dieser Attacke gelassen. „Es ist legitim und nachvollziehbar, dass jeder am anderen fräsen will,“ sagt Zetsche. Mercedes-Benz werde diese Offensive von Audi nicht mit einem kleineren Modell kontern.

Der Anteil von SUV hat sich seit 2010 verdoppelt

Ferdinand Dudenhöffer, der Chef des Duisburger Forschungsinstituts CAR führt den Siegeszug der Geländewagen auf den Preisrückgang an den Tankstellen in den vergangenen Jahren zurück. „Billiges Benzin und Diesel lässt die Käufer auf große und PS-starke Neuwagen umschwenken“, sagt der Autoexperte. In Deutschland sei mittlerweile jeder fünfte verkaufte Neuwagen ein SUV. Damit habe sich der Anteil seit 2010 in etwa verdoppelt.

Daimler-Chef Zetsche nennt andere Kaufgründe. „Die erhöhte Sitzposition macht das Ein- und Aussteigen leicht, zudem hat man einen besseren Überblick“, sagt Zetsche. Unbewusst komme vielleicht als Kaufmotiv hinzu, dass man das Gefühl habe, flüchten zu können, und sich sicherer fühle. Darauf führt der Daimler-Chef auch zurück, dass der Anteil der weiblichen Käufer bei Geländewagen größer sei als bei anderen Modellen.

Genf ist im Frühjahr die Wichtigste Europäische Messe

Neuheitenschau
Der Genfer Autosalon ist traditionell die wichtigste europäische Neuheitenschau vor dem Start in die wichtige Frühjahrssaison. In diesem Jahr findet sie zum 86. Mal statt. Die beiden Pressetage zum Auftakt sind stets ein gutes Barometer für das Geschäftsklima in der internationalen Automobilindustrie.

Premieren
In diesem Jahr werden mehr als 120 Welt- und Europapremieren vorgestellt – etwa so viele wie im vergangenen Jahr. Mit gut 200 Ausstellern aus 30 Ländern haben sich weniger Unternehmen angemeldet als in früheren Jahren. Bis zum 13. März werden 700 000 Besucher erwartet.

Öffnungszeit
Die Neuheitenschau auf dem Messegelände Palexpo ist von Montag bis Freitag jeweils von 10 bis 20 Uhr geöffnet, am Wochenende von 9 bis 19 Uhr. Der Eintritt kostet für Erwachsene 16 Franken, für Kinder von 6 bis 16 Jahren 9 Franken. Mehr Informationen im Internet unter: www.salon-auto.ch.