Er ist erst 22 Jahre alt, hat mit dem VfB Stuttgart aber schon allerhand erlebt. In der neuen Saison will Timo Baumgartl seine Entwicklung weiter vorantreiben – unter ganz neuen Voraussetzungen.

Sport: Heiko Hinrichsen (hh)

Grassau - Beim Eignungstest für Türsteher würde er vermutlich noch immer durchfallen, doch es ist nicht zu übersehen: Der „Baumi“ hat körperlich zugelegt. „Und zwar an den richtigen Stellen“, wie Timo Baumgartl, der junge Innenverteidiger des VfB Stuttgart, mit einem Augenzwinkern hervorhebt. Mit dem US-Trainer Corey Chapman, einem ehemaligen Footballer und Spezialisten für Kraft- und Ausdauertraining, hat der Defensivmann auf eigene Rechnung an seiner Physis gearbeitet. Das Ergebnis ist kaum zu übersehen: Baumgartl kommt jetzt physisch stabiler daher – und sagt mit Blick auf seine Jugend: „Das gehört zum Reifeprozess dazu. Seit ich an meinem Körper arbeite, habe ich keine Probleme mehr.“

 

Allerdings will Baumgartl nicht nur körperlich vorankommen. Geht es nach der Dienstzeit, gehört der 1,90 Meter große Blondschopf zwar zu den alten Hasen im Stuttgarter Kader. 2011 aus Reutlingen in die U 17 des VfB gekommen, debütierte Baumgartl bereits vor vier Jahren als Profi in der Fußball-Bundesliga. Das Debakel des Abstiegs hat er unter dem Trainer Huub Stevens zunächst verhindert, dann hat es ihn und das Team unter Jürgen Kramny 2016 erwischt. Der gebürtige Böblinger hat unter Hannes Wolf seinen beachtlichen Teil zum sofortigen Wiederaufstieg beigetragen. „Es waren in vier Jahren eine Menge Trainer und Sportdirektoren“, resümiert Baumgartl, der im März allerdings gerade mal 22 Jahre alt wurde.

Baumgartl hat schon viel erlebt beim VfB

All diese Erlebnisse, die schönen wie die schwierigen Tage beim VfB, haben Timo Baumgartl reifen lassen. „Auch im Profifußball sollte es immer ein Mix sein zwischen Spaß und Ernsthaftigkeit“, sagt der Verteidiger, der ein großer Basketballfan ist – und dem man auch abseits des Platzes bescheinigen kann, jede Menge Hummeln im Hintern zu haben. Doch bereits Hannes Wolf hatte eine neue Seite an Baumgartl ausfindig gemacht. „Er hat es bei aller Lockerheit geschafft, sich besser zu fokussieren und voll da zu sein, wenn es zählt“, sagte der Ex-Trainer. Und Baumgartl stimmt zu: „Auch da habe ich mich weiterentwickelt.“

Und dann war da ja noch das leidige Kapitel aus der vergangenen Saison, das eine schmerzhafte Erfahrung brachte. „Gehirnerschütterungen sind im Fußball noch nicht angekommen“, weiß Baumgartl nun. Was er, der im Frühjahr vier Spiele wegen Schädelbrummens aussetzen musste, damit meint: „Man kann sich eine neue Hüfte und ein neues Knie reinmachen lassen – aber kein neues Gehirn. Es ist das Wichtigste, das man hat – und man sollte es am besten schützen.“ Daher fordert Baumgartl ein Umdenken im Fußball ähnlich wie im American Football, wo man „erst dann wieder spielen darf, wenn die Tests gut sind“.

Stammspieler – auch nach der Zwangspause

Seinen Platz im Team hat Baumgartl trotz der Auszeit sofort wieder gefunden. Weil sich Andreas Beck verletzte, spielte der große Blonde eben den Part des rechten Verteidigers. Eine schöne Erfahrung: „Es war sehr lehrreich, dort zu spielen. Es tat auch mal gut, von rechts ein Spiel zu sehen“, sagt Baumgartl, der sich aber weiter klar als Innenverteidiger definiert.

Allerdings hat auch das Team wie der 22-Jährige einen kontinuierlichen Qualitätssprung hingelegt – ihre Talsohle haben die Stuttgarter längst durchschritten. Die Konkurrenz ist also groß im Abwehrzentrum. Kommt Benjamin Pavard zurück, besitzt der VfB in Baumgartl, dem französischen Weltmeister, Holger Badstuber, Marc-Oliver Kempf und Marcin Kaminski fünf Innenverteidiger. „Konkurrenz belebt das Geschäft – wir pushen uns gegenseitig zu Höchstleistungen“, sagt Baumgartl – und will sich keinen allzu großen Kopf darüber machen, seinen Platz in der Startelf neben Badstuber womöglich an Pavard verlieren zu können. „Bisher“, so das Credo des Sohnes der ehemaligen Handball-Nationalspielerin Michaela Baumgartl, „habe ich immer meinen Platz gefunden.“

Vertrag bis 2022 – und kein Wechselwunsch

Mit einem langfristigen Vertrag bis 2022 ausgestattet und dem ehemaligen VfB- und Bayern-Profi Wiggerl Kögl an seiner Seite will Timo Baumgartl noch länger beim VfB bleiben. „Es geht hier ganz klar in die richtige Richtung“, sagt er: „Das entspricht meinen Ansprüchen.“ Auf den steten Rat seines Kumpels Dennis Aogo („Der ist für sein Alter richtig jung geblieben“) kann er in Stuttgart zudem zählen. „Als junger Profi will man möglichst immer spielen“, sagt Baumgartl: „Das ist hier gegeben. Irgendwann möchte ich dann auch was anderes erleben – um als Persönlichkeit zu reifen.“ Irgendwann, nicht jetzt.