Das Verwaltungsgericht kippt den Bebauungsplan für das Baugebiet Halde V. Die Stadt sieht bei sich keinen Fehler. Im Gegenteil: Aussagen zweier Bürgermeister überraschen.

Weinstadt - Betont gelassen gibt sich Weinstadts Erster Bürgermeister Thomas Deißler in einem Gespräch zum Rechtsstreit zwischen der Stadt und dem Endersbacher Gärtner Simon Hayler wegen des Bebauungsplans Halde V. Neben ihm sitzt der Oberbürgermeister Michael Scharmann, ebenso selbstsicher. Kein Schuldeingeständnis oder Wort des Bedauerns kommt über ihre Lippen. Dabei ist die Stadt am Verwaltungsgericht Hayler klar unterlegen.

 

Dieser hatte wegen des Bebauungsplans für das Neubaugebiet, das in unmittelbarer Nachbarschaft zu seinem Betrieb entsteht, ein Normenkontrollverfahren am Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg ins Rollen gebracht. Denn Hayler sah die Belange seines Betriebs nicht berücksichtigt. Vor allem durch die auf 6 bis 22 Uhr begrenzten Betriebszeiten, die Auslieferungen seiner Pflanzen in frühen Morgenstunden unmöglich machen, fürchtete er um die Existenz seiner Gärtnerei. Seitens der Stadt beharrte man auf Haylers Einwände zum Bebauungsplan hin indes darauf, dass eine Nachtanlieferung nie beantragt und genehmigt worden sei.

Das Gericht sieht einen „beachtlichen Ermittlungs- und Bewertungsfehler“

„Das hat das Gericht auch bestätigt“, sagt Michael Scharmann. Zudem sei das Thema Nachtanlieferung bei den Gesprächen im Vorfeld mit der Gärtnerei nie aufgekommen. Auf dieser Basis sei das Lärmschutzgutachten dann erstellt worden, ergänzt Deißler. Erst später, als der Bebauungsplan fertig war, sei das Thema „virulent“ geworden. Dabei spielt Deißler auf die in der Zwischenzeit erfolglos verlaufenen Verhandlungen der Stadt mit Hayler über dessen Grundstück im Plangebiet an. „Die Gärtnerei ist nicht nur eine Gärtnerei, sondern auch ein Immobilienunternehmen.“ Derweil spielt der Streitpunkt Nachtanlieferung für den VGH gar nicht die entscheidende Rolle. In seiner schriftlichen Urteilsbegründung heißt es: „Darauf kommt es nicht an, da unabhängig von dieser Frage ein beachtlicher Ermittlungs- und Bewertungsfehler hinsichtlich der Auswirkungen der vorgesehenen Wohnbebauung auf das Betriebsinteresse des Antragsstellers vorliegt.“ Pauschal habe die Stadt die Interessen der Gärtnerei hinter ihren eigenen Planungsinteressen zurücktreten lassen. Weitere Untersuchungen, wie ein Lärmschutz realisiert werden könne, seien unterlassen worden. Wegen dieser Fehler sei der Bebauungsplan in Teilen unwirksam.

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Konkret betrifft dies den Bau von acht Reihenhäusern und fünf Geschosswohnungsbauten. Für drei der Mehrfamilienhäuser hat die Stadt den Baugrund bereits an eine Baufirma verkauft. Die übrigen Baufenster sind noch im Eigentum der Stadt. Bewusst hat man sie bislang nicht veräußert. „Zirka 75 Prozent des Bebauungsplans wurden als rechtswirksam anerkannt, und nur ein Teilbereich von 20 bis 25 Prozent wurde als unwirksam erklärt“, fasst Scharmann zusammen. Für alle bisherigen Bauherren in der Halde V bestehe nun Rechtssicherheit. Somit sei es „gut und wichtig“, dass es das Gerichtsurteil gebe. „Es ist in Ordnung wie es ist, und wir werden keine Rechtsmittel einlegen.“ Dies habe man so gemeinsam mit dem Gemeinderat in nichtöffentlicher Beratung beschlossen.

Die Gebäude werden vielleicht gedreht, um Lärm abzuschirmen

Scharmann will nach vorne schauen. „Wie gehen wir damit um? Und was bedeutet das?“ Dies seien nun die entscheidenden Fragen, die es zu klären gelte. Im Baudezernat macht man sich daher nun daran, den betroffenen Teilbereich neu zu überplanen, und bereitet Gespräche mit der Gärtnerei Hayler vor. Des Weiteren sei ein neues Lärmschutzgutachten nötig, bevor man sich die Abwägungstabelle erneut anschaue, um danach in die öffentliche Auslegung des Plans einzusteigen und diesen im Anschluss dem Gemeinderat zur Beschlussfassung vorzulegen, erläutert Deißler das Verwaltungsprozedere, dessen Dauer er auf rund ein Jahr schätzt. „Wenn erforderlich, werden wir die Gebäudetypologie abändern.“ Denkbar sei es beispielsweise, die Reihenhäuser, die bislang in zwei Blöcken mit jeweils vier Gebäuden vorgesehen sind, giebelständig zur Gärtnerei zu drehen. „Damit hätte man einen abschirmenden Baukörper für die dahinterliegende Bebauung.“

Auch den Plan für das Sondergebiet Metzgeräcker Süd, mit dem die Stadt im Nachgang der Halde-V-Planung den Bestand der Gärtnerei absichern wollte, muss die Stadt überarbeiten. Dieser erlaubt nämlich ebenfalls keine Nachtanlieferung. „Das könne wir nicht so stehen lassen“, sagt Scharmann dazu.