Lust auf Tanzen? Dann ist auch körperliche Fitness gefragt. Es handelt sich um Hochleistungssport. Sehr zum Leidwesen des jungen Paares Daniel Medvedovsky (17) und Michelle Nazarenus (16).

Stuttgart - Wenn deutsche Männer in ihrer Freizeit tanzen, dann sieht das häufig ein bisschen so aus, als würden sie an der Bar sitzen und Bier trinken. Weil genau das üblicherweise auch der Fall ist. Die schlechte Nachricht für die tanzbegeisterten Damen: Man muss es schon wollen, sonst geht es nicht. Daniel Medvedovsky (17) und Michelle Nazarenus (16) wollen auf jeden Fall. Wir haben die ambitionierten Latein-Tänzer am Rande der German Open Championships (GOC) in Stuttgart getroffen. Die beiden gehen bei den Wettkämpfen WDSF Open Youth Latin und GOC Adult A Latin für Israel an den Start. Mit ihrem ersten Ergebnis im Jugend-Turnier, dem 34. Platz, sind sie indes nicht ganz zufrieden: „Alle unsere Trainer haben gesagt, dass wir gut getanzt haben. Da hätte eigentlich mehr drin sein müssen“, resümiert die Gymnasiastin. Stellt man die Platzierung dem Starterfeld von 240 Paaren gegenüber, klingt das dagegen sehr respektabel. Und das, obwohl Medvedovsky und Nazarenus erst seit Anfang des Jahres zusammen tanzen und zwischendurch eine dreimonatige Zwangspause einlegen mussten. „Es gab Probleme mit meinem Visum“, berichtet Daniel, der im israelischen Netanya geboren wurde, und sich nun ohne seine Familie nach Deutschland verlegt hat, um die Tänzer-Karriere voranzubringen. Abseits des Parketts leben beide in Freiburg. „Ein erster Platz für Israel klingt doch besser als ein sechster Platz für Deutschland“, erläutert Michelle. Nicht zuletzt um bessere Chancen auf eine EM-Teilnahme zu haben, nutzen sie Daniels israelische Staatsangehörigkeit, um für den Staat im Mittleren Osten an den Start zu gehen. „Wenn ich nicht trainiere, besuche ich eine Sprach-Schule um Deutsch zu lernen. Aber das ist ganz schön schwer“, erzählt der Sohn russischer Eltern, der neben Hebräisch noch drei weitere Sprachen spricht. „Die Schule ist für mich auch wichtig“, stimmt Michelle zu, „aber wenn es möglich ist, möchte schon gerne hauptberuflich tanzen.“

 

Harte Arbeit, wenig vergnügen

Für diesen Traum arbeiten die beiden außergewöhnlichen Jugendlichen hart. Während der Vorbereitung auf ein großes Event wie die GOC ist der nächtliche Schlaf die einzige Pause, die sie sich gönnen. „Das Training für so ein Turnier ist härter als alles andere im Tanzsport. Bei den GOC besonders, weil hier jeder eine Chance hat, anders als bei einer Weltmeisterschaft“, weiß auch Harry Körner, Managing Director der GOC und selbst Trainer. Dafür glänzt die Veranstaltung in Stuttgart dann aber mit einer besonderen Atmosphäre. „Hier hast du ein begeistertes Publikum, das dich wirklich tanzen sehen will,“ lobt Daniel,“ nicht lauter Mütter in den ersten Reihe, die bloß nach ihren Schützlingen Ausschau halten.“ Am liebsten tanzen sie Samba, Rumba und Cha-Cha-Cha. Der Paso Doble ist bei Michelle weniger beliebt. „Naja, früher war das mal ein Standard-Tanz. Da brauchst du eine ganz andere Haltung als beim Rest“, erklärt die 16-Jährige. Leidenschaftlich geht es auf dem Parkett aber bei jedem Tanz zu. „Da stößt man schon mal zusammen“, räumt Medvedovsky ein,“ sogar Michelle verpasst mir ab und zu einen Schlag. Natürlich unabsichtlich, aber blaue Flecken gehören eben dazu.“ Trotz der Rempeleien ist der freundschaftliche Umgang mit den anderen Teilnehmern für beide wichtig, denn Konkurrenten sind sie nur auf der Tanzfläche. „Am Ende des Tages wollen wir lieber Freunde und Gleichgesinnte sein, als Gegner“, bemerkt Michelle. Obwohl es bei den Mädels da schon ab und an zu Zickereien komme. Die Jungs seien da relaxter, verrät die gebürtige Freiburgerin. Doch damit könne man umgehen. „Viel störender ist es, dass das Tanzen immer mehr zum Hochleistungssport wird. Tanzen soll doch schön sein, darauf kommt es an. Du musst mit dem Herz tanzen, nicht nur mit den Muskeln“, sind sich die Samba-Fans einig. Nur zehn Prozent des Erfolges machen die Tanzschritte aus, der überwiegende Rest „besteht aus Hingabe und Willenskraft.“ Bei aller mentalen Stärke und Disziplin genießen es Daniel und Michelle in der knappen Freizeit aber auch mal, Überraschung, zu tanzen. Und zwar ohne penibel auf die Technik zu achten. „Wenn ich in einen Club gehe, dann tanze ich schon ein wenig anders als der Rest“, lacht Nazarenus. Daniel ergänzt: „Ich liebe ja Beach-Bars. Wenn da ein gutes Lied aufgelegt wird, gibt es kein Halten mehr.“ Ob er auch tanzen kann, während er mit einem Bier an der Bar sitzt haben wir ihn allerdings nicht gefragt.