Heidi-Klum-Bashing und die Verurteilung ihrer Sendung gehören seit der ersten Staffel zum guten Ton. Dabei greift es zu kurz, das zweifelhafte Frauenbild dieser populären Castingshow anzuprangern.

Stuttgart - Es gibt Themen, bei denen sich fast alle einig sind. Bei Heidi Klum und ihrer Sendung „Germany’s next Topmodel“ ist das zum Beispiel so. Unisono unkt es: Heidi Klum bäh, „Germany’s next Topmodel“ (GNTM) geht gar nicht, die armen jungen Frauen, das schlimme Frauenbild, pfui Teufel. Die #metoo-Debatte kommt den Kritikern zupass: Wie kann Heidi Klum nur in der aktuellen Stimmungslage unbeirrt an Nacktshootings, sich räkelnden „Meedchen“ am Strand und devoten Schmollmündern vor der Kamera festhalten? Der Grad zwischen sexistischen Anspielungen, wie es sie bei GNTM zu Hauf’ gibt, und sexualisierter Gewalt, wie sie die #metoo-Bewegung anprangert, ist vielen zu schmal, obwohl das eine mit dem anderen nicht zwangsläufig etwas zu tun hat.

 

Heidi Klum spielt „nur“ das Modelbusiness nach

Die Kritik an der Sendung und ihrer Erfinderin ist stärker geworden. Nicht zuletzt durch die Kampagne einiger junger Frauen, die sich im vergangenen Herbst unter dem Hashtag „#Notheidisgirl“ zusammengeschlossen haben, um ihre Abneigung gegen das durch die Sendung transportierte Frauenbild auszudrücken. Man darf aber bei aller Sympathie dafür nicht vergessen, dass Heidi Klum auch in der inzwischen 13. Staffel lediglich das Modelbusiness nachspielt. Und bei dem geht es nun einmal ganz banal um die richtigen Körpermaße, den perfekten Gesichtsausdruck, laszive Posen, den coolsten Walk.

Man darf auch nicht vergessen, dass die jungen Zuschauerinnen, um deren Wohl und Body-Mass-Index sich Pädagogen und Eltern sorgen, durchaus zwischen Inszenierung und Realität unterscheiden können. Die Allermeisten sind in der Lage, die Sendung einfach als Unterhaltungsformat zu konsumieren, ohne schwere körperliche oder psychische Schäden davon zu tragen. Ebenso wie die GNTM-Kandidatinnen in der Lage sind, selbst zu entscheiden, ob sie sich Heidi Klum und der TV-Nation zum Fraß vorwerfen lassen.

Jeder muss sich fragen, warum das Schönheitsideal so ist, wie es ist

Immerhin gibt es in der aktuellen Staffel den wohlfeilen Versuch „diversity“ zu demonstrieren, indem auch zwei normalgewichtige Frauen („Curvy Models“) mitmachen dürfen, ein Mädchen mit der Hautkrankheit Vitiligo (in Anspielung auf das erfolgreiche Model Winnie Harlow) sowie ein Transgender-Model. Gewinnen wird nach menschlichem Ermessen keine der genannten. Das ist zynisch, aber in einem Business, in dem der geflügelte Satz des Supermodels Kate Moss „Nichts schmeckt so gut wie sich Dünn-sein anfühlt“ zum Berufsethos gehört, muss sich auch jeder Beobachter fragen, warum das Schönheitsideal ist, wie es ist.

Nicht nur bei GNTM sind die Frauen schlank, sexy und perfekt gestylt. Das sind sie auch in fast jeder Netflix-Serie, in Blockbustern und Arthaus-Kinofilmen sowie auf Bildern in Frauenmagazinen. Das gängige Schönheitsideal ist nichts weiter als eine Projektionsfläche menschlicher Sehnsüchte. Die meisten Frauen wollen schlank, sexy und schön sein. Deshalb werden sich aller Voraussicht nach auch die „Curvy Models“ nicht auf dem Laufsteg durchsetzen. Ein Designeroutfit sieht an einer schlanken, großen Frau einfach besser aus. Das ist das Gesetz der Branche.

GNTM ist eine Trash-Sendung wie alle anderen auch

Die heftige Kritik an Heidi Klum und ihrer Sendung zielt vor allem auf das zweifelhafte Frauenbild ab. Aber eigentlich sollte man das noch viel zweifelhaftere Menschenbild anprangern, das ProSieben seit 13 Jahren der Fernsehnation präsentiert. Die Form der Ab- und Beurteilung, die vor laufender Kamera stattfindet, lässt einen schaudern. Das hat nur vordergründig etwas mit dem Aussehen der Teilnehmerinnen zu tun und es grenzt nicht selten an Erniedrigung. Letztlich ist GNTM eine Trash-Sendung wie viele anderen auch. Ob „Der Bachelor“, „Deutschland sucht den Superstar“, „Big Brother“ oder „Dschungel-Camp“: in allen Sendungen gehören Zynismus, Voyeurismus und Konkurrenzkampf zum Konzept.

Mindestens eine Demontage pro Folge ist im Script festgelegt. Selbst wenn Heidi Klum anderes vorgibt, es könnte kaum offensichtlicher sein, dass in der Sendung nicht in erster Linie Deutschlands nächstes Topmodel gesucht wird. Es ist ganz allein Heidis Show, in der sie sich vor laufender Kamera (immer freizügiger) räkelt und sich egozentrisch inszeniert. Sie ist und bleibt eine ehrgeizige, karriereorientierte Rampensau. Diese unbeirrbare Selbstbestimmung muss man ihr lassen.