Der Echterdinger Gesangsverein hat kurz vor seinem 150-Jahr-Jubiläum im nächsten Jahr seine Liquidation beschlossen. Das Aus hat mehrere Gründe.

Echterdingen - Alles hat ein Ende. Vor wenigen Tagen fand eine außerordentliche Hauptversammlung des Liederkranzes in Echterdingen satt. Eine breite Mehrheit der dort anwesenden Mitglieder hat dort für die Auflösung des 1872 gegründeten Traditionsvereins gestimmt. Vor dem Beschluss hat der zweite Vorsitzende, Walter Remmele, die Gründe erläutert, weshalb ein Fortbestand des Vereins mit seinem gemischten Chor nicht mehr möglich ist.

 

Die Mitglieder seien immer älter geworden

„Ein Verein ist nur durch seine aktiven Mitglieder lebendig“, erklärte der zweite Vorsitzende, der nun neben der ehemaligen Schriftführerin Esther Dinter der Liquidator des Vereins ist. Es brauche Freiwillige, um die Gemeinschaft funktionieren zu lassen. Doch in den vergangenen Jahren seien die Mitglieder immer älter geworden. Die Masse der knapp vierzig Sängerinnen und Sänger des Chores seien zwischen 70 und fast 90 Jahre alt. Der Altersdurchschnitt liege also bei etwa 80 Jahren. „Auch der Liederkranz Echterdingen muss sich mit der Tatsache abfinden, dass Nachwuchs fehlt“, so Remmele.

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Versuche, den Verein zu verjüngen, habe es gegeben. Vor etwa zwei Jahrzehnten sei der Chor Young Voices gegründet worden. Dieser bestehe bis heute. Allerdings habe sich der junge Chor nach einigen Jahren unter dem Dach des Liederkranzes selbstständig gemacht. Viele Jüngere hätten vor allem englische Titel singen wollen. Die älteren Mitglieder seien dem Englischen aber nicht immer mächtig gewesen, erinnert sich Remmele.

Auch Corona hat Auswirkungen auf die Entscheidung

Hinzu kam zuletzt, dass wegen Corona über Monate nicht mehr gemeinsam gesungen werden durfte, was das Vereinsleben schwer getroffen habe. „Der Übungsbetrieb fiel aus, das hat unseren Stimmen nicht gutgetan“, meint Remmele. Auch der satzungsgemäße Vereinszweck konnte so nicht mehr erfüllt werden. Der Chor bezweckt die Pflege und Ausbreitung des deutschen Chorgesangs. Und der dritte Punkt, der für eine Vereinsauflösung sprach, war die erfolglose Suche nach einem neuen Vorsitzenden. „Das war der Knock-out“, so Remmele. Die bisherige Vorsitzende und Vizedirigentin, Gerti Heckmann, sei nicht mehr zu einer Wiederwahl angetreten.

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Die Ereignisse der vergangenen Tage sind nicht spurlos an vielen Mitgliedern vorübergegangen. „Keiner hat etwas gesagt, alle waren platt. Die Leute waren traurig“, erinnert sich Esther Dinter an die Hauptversammlung. Nichtsdestotrotz wollen einige der Mitglieder den gegenseitigen Kontakt erhalten. Es gebe nun einen Stammtisch, sagt sie. In der Stadt habe sich die Nachricht von der Auflösung rasch verbreitet. Viele Menschen drückten ihr Bedauern aus. Der Liederkranz sei bislang der älteste Verein in der Stadt gewesen.

Früher seien alle Männer beim Liederkranz gewesen

Christel Remmele, ebenfalls einstiges Vorstandsmitglied, hat viele Fotos aus der Geschichte des Vereins gesammelt. Bereits der Urgroßvater sei bei der Gründung des Liederkranzes dabei gewesen. Und viele Mitglieder, die bereits in jungen Jahren beigetreten seien, hielten dem Liederkranz bis ins hohe Alter die Treue. Kurz vor der Auflösung wurden noch Mitglieder für 70 Jahre Vereinszugehörigkeit geehrt. „Früher waren alle Männer beim Liederkranz, einen Fernseher gab es nicht“, erklärt Christel Remmele. Das letzte große Konzert sei das Weihnachtskonzert 2019 in der evangelischen Kirche in Echterdingen gewesen. „Die Kirche war rappelvoll“, erinnert sie sich. „Legendär“ seien auch die einstigen Faschingsveranstaltungen in der Gemeindehalle gewesen.

Die beiden Liquidatoren kümmern sich in den kommenden Wochen und Monaten um die letzten Schritte bis zur vollständigen Auflösung des Vereins. Historisch wertvolle Unterlagen und Fotos sollen dem Stadtarchiv überlassen werden. Das Vermögen des Vereins muss laut Satzung der Stadt vermacht werden, die es für gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verwenden solle. Zum Vermögen des Vereins zählt auch ein Flügel, der in der Zehntscheuer steht. Die finanziellen Mittel, vor allem Einnahmen aus Festen und Konzerten, gehen ebenfalls an die Stadt.