Ein Kinofilm und ein Buch erinnern an die Suffragetten, die einst für die Ausweitung des Wahlrechts kämpfte

Stuttgart - Irgendwie sehen Frauen einfach zu harmlos aus, selbst dann noch, wenn sie Steine auf Häuser werfen oder mit Stöcken auf Scheiben eindreschen. „Du musst mehr Lärm schlagen als jeder andere, du musst aufdringlicher sein als alle anderen, über dich muss mehr in der Zeitung stehen als über jeden anderen. Du musst tatsächlich immer vor Ort sein und dafür sorgen, dass sie dich nicht unterbuttern, wenn du wirklich eine Veränderung durchsetzen willst“, schrieb Emmeline Pankhurst Anfang des 20. Jahrhunderts über ihre Situation als weibliche Aktivistin.

 

Da hatte die 45-jährige Witwe in Manchester gerade mit ihrer ältesten Tochter Christabel und vier weiteren Mitstreiterinnen die Women’s Social and Political Union (WSPU) gegründet, die für das Wahlrecht für Frauen kämpfte. Die Suffragetten, wie die Aktivistinnen nach dem englischen Begriff „suffrage“ (Wahl) genannt wurden, kämpften mit vielen, oft nicht gerade leisen Mitteln. Gewalt gegen Menschen wurde ausgeschlossen, Gewalt gegen Dinge aber nicht. Hunderte Suffragetten hat man in die Gefängnisse gesteckt, wo sie in Hungerstreik traten und zwangsernährt wurden.

Meryl Streep spielt eine Frauenrechtlerin

Gerade mal hundert Jahre sind seither vergangen, und was uns heute selbstverständlich scheint, ist es noch gar nicht so lange. Zur Erinnerung: die Finninnen dürfen zwar seit 1906 ihre Stimmzettel abgeben, die Deutschen seit 1918 und die Engländerinnen seit 1928, Frankreich aber hat bis 1944 gewartet, die Schweiz bis 1971 und Liechtenstein bis 1984, ehe der dortigen weiblichen Bevölkerung dieses demokratische Grundrecht zugestanden wurde. In Saudi-Arabien wurden Frauen 2015 erstmals bei einer Kommunalwahl zugelassen.

Dass dieses Thema jetzt ins Kino kommt und zudem Emmeline Pankhurst von Meryl Streep gespielt wird, ist wahrscheinlich kein Zufall. Die 66-Jährige sagte zwar bei der Londoner Uraufführung von Sarah Gavrons Film „Suffragette“, der kommende Woche in Deutschland anläuft, sie sei keine Feministin, sondern „Humanistin“. Streep hat sich aber im Laufe ihrer langen Karriere immer gegen die Benachteiligung von Frauen eingesetzt, in Hollywood wie im wirklichen Leben.

Lieber Emanze als wieder mal nur die schöne Geliebte

Und sie lässt keinen Zweifel daran, dass der Prozess der Gleichberechtigung der Geschlechter aus ihrer Sicht längst nicht so fortgeschritten ist, wie das zu wünschen wäre. Auch in der Filmbranche verdienen Frauen immer noch für dieselbe Arbeit weniger Geld als Männer; und es sind nach wie vor meistens Männer, die vorgeben, was wie erzählt wird in und von dieser Welt.

Streep ist deshalb nicht der einzige weibliche Star, der es vorzieht, jetzt einmal als Emanze auf der Leinwand zu erscheinen, anstatt in der x-ten Wiederholung als gut erhaltene Altersmuse, als schöne Geliebte oder als durchgeknallte Hexe besetzt zu werden. Die wundervolle Carry Mulligan, nach der sich vor drei Jahren „Der große Gatsby“ verzehrte und die sich kürzlich „Am grünen Rand der Welt“ gleich drei Männer an ihre Seite holte, hat die Hauptrolle der jungen Arbeiterin Maud Watts übernommen, die durch eine Freundin politisiert wird und schließlich auf die Barrikaden geht. Helena Bonham Carter, die als „english rose“ in E.-M.-Foster-Verfilmungen berühmt wurde und später viele Gruselweiber, unter anderem in den Harry-Potter-Verfilmungen darstellte, spielt die Apothekerin Edith Ellyn, die durch den Bau kleiner Bomben auffällt.

Auch ein neuer Bildband erinnert an engagierte Frauen

An öffentlicher Aufmerksamkeit wird es dem politischen „Period Drama“, wie Historienfilme im englischsprachigen Raum genannt werden, bei dieser Besetzung also kaum fehlen. Fans von „Downtown Abbey“ könnte das sorgfältig zeitgetreu ausgestattete Werk ebenso gefallen wie Anhängern der These, dass es bis zur wirklichen Gleichberechtigung von Frauen in der Gesellschaft noch ein weiter Weg ist und dass es ab und zu ganz hilfreich sein könnte, sich vergangener Kämpfe zu entsinnen, wenn man nicht zu bequem werden möchte.

Auch in dem gerade im Elisabeth Sandmann Verlag erschienenen Bildband „Die Suffragetten – Sie wollten wählen und wurden ausgelacht“ von Antonia Meiners ist nachzulesen, wie sich die internationale Frauenbewegung (der sich auch freigeistige Männer anschlossen) nach der langen Hoffnung, es entwickelten sich die Dinge auf friedlichem Wege irgendwann zu ihren Gunsten, zu Beginn des 20. Jahrhunderts radikalisierte. Wer in welchen Ländern wie für die gemeinsamen Ziele und leider manchmal auch gegeneinander arbeitete, zeigt die Historikerin an der Biografie der bürgerlich-liberalen Britin Emmeline Pankhurst ebenso auf wie an der Wirkungsgeschichte der deutschen, lange in Stuttgart lebenden Sozialistin Clara Zetkin.

Meiners hat Zitate aus zahlreichen Schriften und Fotos der mit ihren langen Röcken und Steckfrisuren, den Blusen und Kapotthütchen ungeheuer harmlos wirkenden Frauen zusammengestellt. Wer sie demnächst so ausgestattet in „Suffragette“ auf der Leinwand sieht, sollte wissen: das war alles nur Tarnung.