Grüne, FDP und SPD verhandeln in den kommenden Wochen für eine mögliche Ampel-Koalition. Ein Thema: das Tempolimit von 130 auf deutschen Autobahnen. Wir klären, was für und was gegen ein Tempolimit spricht.

Nach der Bundstagswahl laufen langsam die Koalitionsverhandlungen zwischen FDP, Grüne und SPD für eine mögliche Ampel-Koalition an. Ein Streitpunkt zwischen den Parteien wird dabei höchstwahrscheinlich sein, ob es ein generelles Tempolimit von 130 Stundenkilometern auf deutschen Autobahnen geben sollte. Bereits in der Vergangenheit waren Petitionen und Anträge zu dem Thema immer wieder hochgekocht.

 

Während sich Grüne und SPD bei den Debatten für ein Tempolimit ausgesprochen haben, lehnen die Liberalen eine solche Geschwindigkeitsbegrenzung strikt ab. Was aber spricht nun eigentlich für ein generelles Tempolimit – und was dagegen? Wir haben die wichtigsten Argumente zusammengetragen.

Pro Tempolimit: ein Wunsch der Bürger

Deutschland ist die einzige westliche Industrienation ohne generelles Tempolimit auf Autobahnen. Aber immer mehr Bürger wünschen sich eine Begrenzung. Bei einer Umfrage des Verkehrssicherheitsrates im Juni 2017 wollten 52 Prozent der Autofahrer ein Tempolimit von 130. Bei einer 2019 veröffentlichten Forsa-Umfrage waren schon 57 Prozent dafür, sie wollten im Durchschnitt eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 136 Stundenkilometern.

Rasen bringe nichts, sagen die Tempogegner, ein Fachblatt ließ einmal zwischen Flensburg und Füssen einen Raser gegen einen Schleicher antreten: auf den 1000 Kilometern war der Schnelle 13 Minuten früher da. Hinzu kommt, dass ein Tempolimit vielerorts die Lärmbelastung auf Anwohner und Natur an den Autobahnen verringern würde. 

Kontra Tempolimit: freie Fahrt für freie Bürger

Schon jetzt sind nur noch 30 Prozent des Autobahnnetzes ohne Tempolimit frei befahrbar. Warum sollte es nicht erlaubt sein, bei freien Straßen und an die Verkehrslage angepasst schneller fahren zu dürfen? Der Bürger hat ein Recht auf freie Mobilität und freie Entfaltung, so die Argumente. Schlauer als ein generelles Tempolimit wäre eine flexible Geschwindigkeitsregelung durch intelligente Schilder, sagt etwa der ADAC, wenn Wetter oder Verkehrslage es erfordern.

Pro Tempolimit: die Unfallgefahr

In Deutschland sterben 13 Prozent der Verkehrstoten auf der Autobahn, in den anderen Ländern Europas, wo es Tempolimits gibt, sind es nur acht Prozent. Auf einem 62 Kilometer langen Abschnitt der Autobahn A24 in Brandenburg gab es bis Dezember 2002 keine Geschwindigkeitsbegrenzung, nachdem dort Tempo 130 eingeführt worden ist halbierten sich die jährlichen Unfallzahlen von 654 auf 337. Ein Limit schützt Leben, heißt das Argument.

Kontra Tempolimit: sichere Autobahnen

Autobahnen gelten als die sichersten Straßen in Deutschland, auf ihnen werden ein Drittel aller Auto-Kilometer gefahren. Der Anteil der Verkehrstoten sei im Vergleich dazu mit rund 12 Prozent unterdurchschnittlich, sagt der ADAC. Als Schwachstellen gelten immer noch die Landstraßen, wo 60 Prozent aller Verkehrstoten registriert werden, bei nur etwa 40 Prozent der Auto-Fahrleistungen.

Unfallversicherer haben den „harten Kern“ der auf Raserei zurück zu führenden Autobahntoten beim Verkehrsgerichtstag in Goslar einmal auf rund 80 geschätzt – bei jährlich insgesamt mehr als 3200 Verkehrstoten. Der ADAC sagt, Länder mit allgemeinem Tempolimits wie Österreich, Belgien oder den USA schnitten nicht besser ab als Deutschland.

Pro Tempolimit: der Umwelteffekt

Ein allgemeines Tempolimit 130 auf den Autobahnen würde den Kohlendioxid-Ausstoß um bis zwei Millionen Tonnen Kohlendioxid im Jahr vermindern. Das sind knapp zwei Prozent der CO2-Emissionen des Straßenverkehrs. Die Maßnahme koste nichts, wirke sofort und sei simpel einzuführen, sagt der Grünen-Abgeordnete Oliver Krischer.

Kontra Tempolimit: der Wirtschaftsfaktor

Der deutsche Wohlstand basiert auch auf den Exporterfolgen der Autoindustrie, die PS-starke Premiumfahrzeuge in die ganze Welt verkaufen. Ein Tempolimit würde diesen Absatz gefährden, so das Argument. Die Hauptabnehmerländer deutscher Autos – China und USA – haben zwar allgemeine Geschwindigkeitsbeschränkungen, allerdings scheint die „Freude am Fahren“ hier auch ein Verkaufsargument zu sein.

Beim Verband der Deutschen Automobilindustrie weist man darauf hin, dass die Motorenstärke als Beweis deutscher Ingenieurkunst gelte. In den USA sei „autobahn-proofed“ – also auf Autobahnen getestet – ein Marketingargument.