Apotheken, Metzger und Kioskbesitzer – sie alle müssen seit dem 1. Januar 2020 jedem Kunden für jeden Kauf einen Bon zur Verfügung stellen. Digitale Bons können viele Einzelhändler noch nicht ausstellen, deshalb müssen sie die Kassenzettel austauschen. Die meisten Händler sind darüber ziemlich verärgert.

Psychologie/Partnerschaft: Nina Ayerle (nay)

Stuttgart - Ein älterer Herr betritt den kleinen Kiosk von Roland Weninger im Lehenviertel. Er kauft einen Schnaps, trinkt ihn noch im Laden aus. Als er schon in der Tür steht, ruft Weninger ihm hinterher: „Halt, du kriegst deinen Bon noch!“ Der Herr antwortet: „Den kannst behalten, tschau, Roland.“

 

Apotheken, Friseure, Kioske und Bäcker – sie alle müssen seit dem 1. Januar jeden Verkauf mit einem Bon quittieren und diesen ihren Kunden zur Verfügung stellen. Den Bon muss ausstellen, wer eine sogenannte Registrierkasse besitzt. Diese muss laut Kassengesetz künftig mit einer technischen Sicherheitseinrichtung ausgestattet sein. Damit soll nachträgliches Stornieren einer Buchung verhindert werden.

Prinzipiell müssten die Händler die Bons nicht ausdrucken, sie könnten sie den Kunden auch per E-Mail oder digital zukommen lassen. Doch das scheitert meistens an der Realität, die wenigsten Läden sind dafür ausgestattet. Den meisten bleibt deshalb nur eine Methode: Sie müssen jeden einzelnen Bon ausdrucken. Das hat das Bundesfinanzministerium zur Auflage gemacht, um gegen Steuerbetrug vorzugehen.

Bürokratie verdirbt kleinen Kioskbetreiber die Freude an ihrem Laden

Zu dem Gesetz fällt Roland Weninger ein Wort ein: „Katastrophe“. Der 51-Jährige betreibt im Strohberg 20 seinen Kiosk Schlagzeile – seit 20 Jahren. „Aber so macht es langsam echt keinen Spaß mehr“, sagt er. Er hat das Gefühl, besonders die kleinen Händler werden „geschröpft“ oder mit zu viel Bürokratie schikaniert. Ihn ärgert bei der Bonpflicht vor allem der unnötige Müll. „Alles wollen sie verbieten: Silvesterfeuerwerk, Dieselautos, und dann haut man Unmengen Papier raus.“ Man fange an, konsequent die Umwelt zu schützen. „Und jetzt kommen die mit so etwas aus dem 17. Jahrhundert“, sagt er sarkastisch.

90 Prozent seiner Kunden würden den Bon ohnehin nicht mitnehmen. „Ich muss es trotzdem rauslassen“, sagt Weninger. Dabei habe er ohnehin eine elektronische Kasse, wo alle Bezahlvorgänge gelistet sind. Alles wäre mit einem Knopfdruck abrufbar. Außerdem verkaufe er größtenteils Waren mit Festpreisen wie Tabak, Zigaretten und Zeitschriften. „Dafür muss ich nun 200 Euro zusätzlich reinarbeiten.“ Der Kioskbesitzer hofft, dass die Gesetzgeber ein Einsehen haben und das lästige Gesetz zurücknehmen. Das seien alles so sinnlose bürokratische Maßnahmen. „DDR 2.0“ fällt Weninger dazu nur ein.

Viele Kunden lachen die Händler aus

Bei Senay Celik im Kiosko im Stuttgarter Westen lachen die Kunden die Inhaberin des Mini-Kiosks aus, wenn sie ihnen den Bon überreichen möchte. „Das ist pure Schikane“, sagt die 40-Jährige, die das Kiosko an der Johannesstraße erst vor einigen Monaten übernommen hat. „Das kostet ja auch extra Geld, ich muss viel mehr Kassenrollen kaufen.“ Und der Umwelt tue das ganz sicher nicht gut. Bisher hätten lediglich Gruppen, die geschäftlich bei ihr waren, mal einen Bewirtungsbeleg mitgenommen. „Keine Privatperson kann einen Bewirtungsbeleg absetzen. Warum soll also jemand den Kassenzettel mitnehmen?“ Tatsächlich sind die Kunden wiederum auch nicht verpflichtet, die Bons mitzunehmen und aufzubewahren.

Fünf Milliarden Kassenzettel werden täglich ausgedruckt

Auch in ihrer Kasse könne sie alle Buchungsvorgänge abrufen. Viele Stammkunden sagten ihr: „Bitte, frag mich nie wieder, ob ich einen Bon möchte.“ Sie druckt sie trotzdem alle aus. „Ich muss es ja.“ In sozialen Netzwerken hätte sie schon einige witzige Vorschläge zu dem neuen Gesetz gefunden. So empfiehlt dort eine Bäckerei, alle Bons doch mitzunehmen und das nächste Mal, wenn man an einem Finanzamt vorbeikomme, diese dort einfach in den Briefkasten zu werfen. „Die Idee finde ich gut“, sagt sie und lacht.

Etwa fünf Milliarden Kassenzettel aus Thermopapier werden ungefähr täglich in Deutschland ausgedruckt. Das hat die Innung Deutsches Bäckerhandwerk kürzlich grob geschätzt. Thermopapier wiederum gehört in den Restmüll, nicht ins Altpapier.

Bis zu zehn Milliarden Euro gehen dem Fiskus jährlich verloren durch Steuerbetrug bei Einzelhändlern, so schätzt der Bundesrechnungshof. Mit dem Gesetz soll verhindert werden, dass Händler Beträge an der Steuer vorbei einnehmen. Anfällig seien dafür Branchen, in denen es Barkassen gebe wie zum Beispiel in der Gastronomie oder bei Taxiunternehmen, heißt es von der Deutschen Steuergewerkschaft.

Gesetz beschert mehr Arbeit

Harald Dreßler von der Bäckerei Dreßler im Westen ist nicht so recht klar, was das Gesetz nützen soll. „Wenn jemand zwei Brezeln für 1,60 Euro kauft, tippe ich es rein, und der Bezahlvorgang ist damit gewährleistet.“ Seine Kasse habe einen internen Speicher, abends buche die alles auf eine Speicherkarte. „Die könnte das Finanzamt einsehen.“

Seine Frau empfindet all das als äußerst unnötige Arbeit: „Mein Job ist doch nicht, den ganzen Tag Kassenbelege einzusammeln und wegzuwerfen“, sagt Cornelia Dreßler. Seit 19 Jahren führt das Ehepaar seinen Laden, die Bürokratie für kleine Händler nehme ständig zu, so ihr Eindruck. Sie versucht sich mit einem Trick zu behelfen: „Ich lege den Zettel einfach in die Bäckertüte mit rein.“

Doch das wiederum empfänden viele ihrer Kunden als „gemein“.