Brigitte Kunath-Scheffold, die ehemalige Bezirksvorsteherin von Stuttgart-Degerloch, erlebt gerade ihre ganz persönliche Corona-Krise. Denn sie ist wider Willen in den griechischen Bergen gestrandet.

Klima & Nachhaltigkeit: Judith A. Sägesser (ana)

Degerloch/Stuttgart - Als sie mit ihrer guten Freundin in Stuttgart ins Auto gestiegen ist, dachte Brigitte Kunath-Scheffold, dass sie in zweieinhalb Wochen wieder zurück sein würden. Am 21. Februar sind die beiden Frauen aufgebrochen, um über Italien und dann mit der Autofähre nach Griechenland zu gelangen. Die Freundin der ehemaligen Bezirksvorsteherin von Degerloch hat auf der griechischen Halbinsel Peloponnes ein Anwesen.

 

Aus den zweieinhalb Wochen sind mittlerweile sieben Wochen geworden. „Und es werden wohl noch mal sieben Wochen“, sagt Brigitte Kunath-Scheffold am Telefon und lacht. Darin mischen sich Verzweiflung und Ungläubigkeit. Die zwei Frauen sitzen wegen der Corona-Krise in den Bergen fest. Seit dem 16. März gebe es eine Ausgangssperre. In die nächste Stadt, wo man einkaufen könne, seien es 20 Autominuten. Ans Heimkommen nach Deutschland sei aktuell nicht zu denken, von der Botschaft hätten sie die Information erhalten, dass eine Rückholung derzeit nicht möglich sei. Und auf eigene Faust zum Flughafen zu fahren, das komme nicht infrage. Zu unsicher sei es, dass sie von dort aus überhaupt weiterkäme. „Und ich will meine Freundin ja auch nicht allein lassen.“

In Krisenzeiten sei man am liebsten in der gewohnten Umgebung

Für Brigitte Kunath-Scheffold fühlt sich das Ganze ein bisschen an wie ein Zwangsurlaub, auch wenn sie seit Ende des vergangenen Jahres im Ruhestand ist. Vielleicht macht ihr das Ganze aber auch genau deshalb so zu schaffen. Denn sie ist jemand, der am liebsten alles im Griff hat. Und nun wäre sie einfach am liebsten daheim in Stuttgart. „In Krisenzeiten ist man gern in seiner gewohnten Umgebung“, sagt sie. Und sie möchte eigentlich genau jetzt etwas machen, anderen helfen, „ich könnte Masken nähen oder sonst etwas Karitatives tun“, sagt Brigitte Kunath-Scheffold. Stattdessen ist sie zum Nichtstun verdonnert.

Trotzdem weiß sie: „Ich bin privilegiert in diesen Zeiten.“ Schließlich könne man es weit schlimmer treffen, als an einem derart schönen Ort festzusitzen. Sie berichtet von einem atemberaubenden Blick von dem Haus, in dem sie aktuell wohnt. Sie lese viel, gehe walken und schreibe zwei, drei Stunden am Tag an einer Geschichte für ihren Enkelsohn. Und sie wird jetzt, ob sie will oder nicht, zurückgeworfen auf sich selbst. „Es ist ein sehr reduziertes Leben“, sagt sie. Sie habe noch nie so viel Zeit gehabt, über sich nachzudenken. So viele Wochen Ferien – „das hatte ich noch nie in meinem Leben“.

Von jetzt auf nachher den Ausknopf zu drücken, ist schwer

Kurz vor ihrem Ruhestand hatte Brigitte Kunath-Scheffold erzählt, dass sie vielleicht für eine Zeit lang in ein Kloster gehen werde, um zur Ruhe zu kommen. Jetzt lacht sie bei dem Gedanken daran kurz auf. Sie sehe von dort aus sogar ein Kloster, sagt sie dann. „Vielleicht hat es das Schicksal gut mit mir gemeint.“ Weil es Tempo aus einem Leben nimmt, das immer unter Volldampf lief.

Trotzdem ist es für sie nicht einfach, von jetzt auf nachher den Ausknopf zu drücken. Schließlich habe sie bis zur letzten möglichen Minute auf ihrem Stuhl im Bezirksrathaus an der Großen Falterstraße gesessen und die Geschäfte verwaltet. Wer weiß, wofür ihre Fahrt nach Griechenland gut sein wird? Eine Fahrt für geplante zweieinhalb Wochen – und für die nach sieben Wochen nach wie vor kein Ende in Sicht ist.