Der Krach im Großraumbüro ist oft lästig. Der Bass im Sportstudio kann auf Dauer sogar gefährlich werden. Denn wie gut wir hören, hängt nicht nur von unserem Alter ab – sondern auch davon, ob und wie wir uns vor äußeren Einflüssen schützen.

Stuttgart - Im Säuglings- und Kindesalter hören wir am besten. „Jeder Mensch wird mit einer bestimmten Anzahl an Haar-Sinneszellen geboren “, sagt Assen Koitschev, Leitender Oberarzt und Ärztlicher Leiter der Abteilung pädiatrische HNO und Otologie der Klinik für Hals-, Nasen-, Ohrenkrankheiten, Plastische Operationen am Klinikum Stuttgart. Von ihnen gibt es verschiedene Populationen: die sogenannten inneren und die äußeren Haar-Sinneszellen. Die für das Verstehen von Sprache wichtigen äußeren Haar-Sinneszellen sind sehr empfindlich gegenüber Lärm, aber auch gegenüber dem Alterungsprozess und anderen Einflüssen wie der Medikamenteneinnahme. „Gehen die Zellen zurück oder verloren, kommt es zur typischen altersbedingten Schwerhörigkeit“, sagt Koitschev. Wer ständig Lärm ausgesetzt ist, sei unter Umständen bereits mit 35 oder 40 Jahren so schwerhörig wie andere mit 50 oder 60.

 

Wie viel Lärm schadet dem Gehör?

Beim Rockkonzert wummert der Bass im Ohr. Es ist laut – aber Gehörschutz tragen? „Ist doch nur ein Abend“, denken viele. Vonseiten der Wissenschaft gibt es derweil eindeutige Aussagen dazu, wie viel Lärm zu viel ist. Im Innenohr sitzen die sensiblen Hör-Nervenzellen, denen laute Geräusche rasch gefährlich werden können. „Beim Lärm unterscheidet man zwischen der akuten und der chronischen Belastung“, erklärt Assen Koitschev, Leitender Oberarzt und Ärztlicher Leiter der Abteilung pädiatrische HNO und Otologie der Klinik für Hals-, Nasen-, Ohrenkrankheiten, Plastische Operationen am Klinikum Stuttgart. Wann genau es zu laut ist für die Ohren, hänge von der Art der Belastung ab, sagt er. „Bei einer akuten Lärmbelastung wie einem Explosionstrauma reicht ein Knall und man kann ertauben.“ Bei einer chronischen Lärmbelastung dagegen müsse man davon ausgehen, dass sehr viel niedrigere Werte schädlich sind, die jedoch über längere Zeiträume einwirken. „Bei dieser Art von Belastung ist alles, was lauter ist als 85 Dezibel (dB), potenziell schädlich.“

Am Arbeitsplatz darf die Lautstärke daher höchstens 85 dB betragen. Schon ab 80 dB ist der Arbeitgeber rechtlich dazu verpflichtet, den Beschäftigten Gehörschutz zur Verfügung zu stellen. Doch auch im Alltag sind wir oft von Lärmquellen umgeben. Ein Laubbläser etwa kann im Betrieb zwischen 90 und 120 dB laut werden, informiert das Umweltbundesamt. Damit sei das Gerät etwa so laut wie eine Kettensäge oder ein Presslufthammer.

Wie gefährlich sind Kopfhörer?

Wenn der jugendliche Sohn oder die Tochter mal wieder die Musik aufdreht, kann es ganz schön laut werden. Dazu kommt: Der Musikgeschmack des Nachwuchses entspricht in den meisten Fällen nicht dem der Eltern. Das kann nerven – dennoch sollten Eltern ihre Kinder dazu ermutigen, Musik über die Stereoanlage oder Lautsprecher zu hören statt über Kopfhörer. „Das Musikhören mit Kopfhörern, was man von außen gar nicht mitbekommt, kann viel dramatischere Auswirkungen haben als das Hören von Musik im Raum“, sagt der Hals-Nasen-Ohren-Arzt Assen Koitschev. Nach außen hin dämpft der Kopfhörer die Geräusche zwar – nach innen aber nicht. „Wird die Musik in einer Lautstärke über 85 dB abgespielt, kann das auf Dauer schädlich sein.“ Überschreitet die Lautstärke im Zimmer das erträgliche Maß, schalten sich dagegen schnell die Nachbarn ein.

Ist die Musik im Sportkurs kritisch?

Beim Sportkurs verhält es sich ähnlich wie im Jugendzimmer oder im Konzert: Ist die Musik beim Zumba oder Spinning dauerhaft lauter als 85 dB, kann das dem Gehör schaden. „Es gibt immer wieder Fälle, bei denen Menschen zu nahe am Lautsprecher waren und dadurch einen Hörschaden erlitten oder Ohrgeräusche entwickelt haben“, sagt Assen Koitschev. Er hält es daher für sinnvoll, Gehörschutz im Sportkurs zu tragen. „Ganz normale Ohrstöpsel dämpfen die Lautstärke um bis zu 20 dB – damit ist man meistens wieder im ungefährlichen Bereich.“ Schützen sollte man die Ohren selbstverständlich auch bei anderen Lärmbelastungen, etwa bei Schießübungen.

Was tun, wenn es im Ohr piepst?

Sollten Hörgeräte-Träger Feiern meiden?

Auf Feiern oder im Restaurant bekommen die Träger einer Hörhilfe oft wenig mit. Das Verstehen im Störlärm, wenn sich mehrere Menschen unterhalten, fällt ihnen häufig schwer. „Hören tun sie. Aber sie verstehen schlecht“, sagt der HNO-Arzt Assen Koitschev. Die physikalische Erklärung dafür: Der dynamische Bereich zwischen sehr leisen und lauten Lauten wird immer schmaler. Das, was gerade kaum zu hören war, kann auf einmal unangenehm laut erscheinen. Sich zurückzuziehen und Veranstaltungen ganz zu meiden, hält Koitschev jedoch für keine gute Lösung: „Das Schulen des Gehörs ist gerade bei Menschen, die mit der Zeit schlechter hören, sehr wichtig.“

Sollte man Ohrenschmalz regelmäßig entfernen?

Ohrenschmalz ist das wachsartige Sekret der Gehörgangsdrüsen. Es hält die Haut des Gehörgangs geschmeidig und bewahrt den Säureschutzmantel, der das Eindringen von Krankheitserregern verhindert. Doch das Sekret kann auch lästig werden. Vor allem bei Menschen, die oft Ohrstöpsel oder In-ear-Kopfhörer tragen, kann sich leicht Ohrenschmalz im Ohr ansammeln und verhärten. Sie sollten regelmäßig zum HNO-Arzt, um ihre Ohren reinigen zu lassen, sagt Ellen Lundershausen, Vizepräsidentin des Deutschen Berufsverbandes der Hals-Nasen-Ohren-Ärzte und Landesvorsitzende in Thüringen: „Überschüssiges Ohrenschmalz kann zu einem störenden Pfropfen zusammenkleben und das Hörvermögen beeinträchtigen.“ Man sollte allerdings keinesfalls versuchen, das Ohrenschmalz mit Wattestäbchen oder anderen spitzen Gegenständen zu entfernen. Denn hierbei kann man den Pfropf noch tiefer ins Ohr drücken oder den Gehörgang beziehungsweise das Trommelfell verletzen. „Hinzu kommt, dass die Nutzung von Wattestäbchen die Ohrenschmalz-Produktion noch anregt“, warnt Lundershausen. „Gehörschutz-Träger, Menschen mit engen Gehörgängen oder mit generell verstärkter Ohrenschmalz-Produktion sollten regelmäßig, am besten alle drei bis sechs Monate, zum HNO-Arzt gehen“, empfiehlt die HNO-Ärztin aus Erfurt.

Was tun, wenn es im Ohr piepst?

Wir können nicht nicht hören. Der Mensch als Fluchttier ist darauf trainiert, in ständiger Alarmbereitschaft zu sein. Selbst wenn wir schlafen, nehmen wir Geräusche wahr – sonst würden wir den Wecker am Morgen einfach überhören. Dass wir ein Rauschen, Piepsen oder Klingeln hören, wenn es um uns herum still ist, hängt damit zusammen. „Man kann sich das so vorstellen: Wenn man die Stereoanlage zuhause aufdreht, ohne dass Musik läuft, hört man irgendwann das Grundrauschen, das der Verstärker der Anlage erzeugt“, sagt Assen Koitschev. Beim menschlichen Hörsystem sei das ähnlich. „Nur steuert da das Gehirn das Verstärkungssystem: Je leiser die Umgebung ist, umso mehr versucht das Gehör wahrzunehmen, ob vielleicht doch noch etwas zu hören ist.“ Wer allerdings länger als ein paar Tage unter Ohrgeräuschen leidet, sollte einen Arzt aufsuchen.

Wie kann man den Ohren etwas Gutes tun?

Unser Lebensstil tut unseren Ohren oft nicht gut. Daher sollte man dem Gehör immer wieder Pausen gönnen, sagt Assen Koitschev. „Ein Spaziergang in der Natur ist das Beste, was man für das Gehör tun kann.“ Ob man bei der Arbeit Musik hört oder nicht, müsse jeder für sich entscheiden, erklärt er. „Manche behaupten, sie können sich dann besser konzentrieren.“ Gut für das Gehör sei in jedem Fall ein Wechsel zwischen den Reizzuständen: mal normal laut, dann wieder ganz leise.