Andere Methoden der Planung machen mehr Arztpraxen möglich, doch die Mediziner dafür gibt es nicht. Die Instrumente der Planung stammen aus der Zeit der Überversorgung. Viele Faktoren fließen in die Vorgaben ein.

Stuttgart - So kann’s gehen im Planungsprozess: In Baden-Württemberg sind seit Neuestem 400 zusätzliche Sitze für Hausarztpraxen ausgewiesen – aber mehr Mediziner, die den Job machen wollen, gibt es deswegen nicht. Im Zweifel wird sich ausgehend von den neuen Richtwerten der rechnerische Ärztemangel sogar verschärfen. Man weiß dann eben genauer, wo die Not am größten ist.

 

Die Bedarfsplanung neu zu fassen war eine Idee aus den Tagen, als sich abzeichnete, dass praktische Mediziner knapp werden – zumindest auf dem Land. Das Instrument stammt eigentlich aus Zeiten des Überangebots. Um zu steuern, dass sich nicht zu viele Ärzte in einem besonders interessanten Landkreis niederlassen, hatte man anhand der Einwohnerzahlen für alle Fachrichtungen Bedarfswerte errechnet. In einem Kreis werden nur so viele Praxen zugelassen, wie es der Bedarfswert ergibt. Nur eine Überversorgung bis 110 Prozent wird toleriert. Damit wollte man verhindern, dass die Mediziner zu wenige Patienten haben und nicht mehr auskömmlich honoriert werden. Mit der Zeit bahnte sich aber an, dass in einzelnen Gebieten im Land die Hundert-Prozent-Versorgung nicht mehr erreicht wird, etwa weil sich ein Hausarzt in den Ruhestand verabschiedet und keinen Nachfolger findet.

Der Gesetzgeber hat die Normen verändert

Der Gesetzgeber ist dann tätig geworden und hat an mehreren Stellen die Normen verändert. Medizinstudenten soll es erleichtert werden, sich für eine Niederlassung als Haus- oder Facharzt zu entscheiden. Schlecht ist die Quote nicht: „80 Prozent derer, die eine Facharztausbildung gemacht haben, lassen sich danach auch nieder“, sagt Kai Sonntag von der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW). Nur bei 20 Prozent sei offen, wohin sie streben – nach Kanada, in die Pharmaindustrie, zu einer Krankenversicherung oder ins Gesundheitsamt.

Praktische Mediziner wurden von der Residenzpflicht entbunden. Man muss also nicht mehr – zum Beispiel – in Eberbach im Odenwald wohnen, um dort niedergelassen zu sein. Man kann dort eine Praxis haben und nach der Sprechstunde zurück nach Heidelberg pendeln. Ärzte können mit ihrer Praxis jetzt Niederlassungen gründen und andere Ärzte anstellen. Die haben kein unternehmerisches Risiko und womöglich halbwegs überschaubare Arbeitszeiten. Da es vor allem Frauen sind, die an den Universitäten Medizin studieren, hielt man die Lockerungen für eine gute Idee. So ist zum Beispiel auch eine Teilzeittätigkeit im Medizinerberuf immer mehr im Kommen.

Die Bedarfsplanung passt sich an

Ein weiteres Instrument, den Ärztemangel anzugehen, war eine geänderte Bedarfsplanung. Man hielt die Landkreisebene für zu ungenau. In Flächenkreisen wie Breisgau-Hochschwarzwald, Ravensburg oder Rhein-Neckar könnten ja in der Kreisstadt viele Ärzte ihre Praxis haben und die Versorgung gut erscheinen lassen. Trotzdem kann der Weg zum Arzt weit sein.

Bei Hausärzten hat man von der Ebene der 44 Stadt- oder Landkreise auf die regionalplanerische Größe der 101 Mittelbereiche umgeschaltet und das gründlich: Bundesweit gilt eine Verhältniszahl. Danach hat ein Hausarzt 1671 Einwohner zu betreuen. Allerdings wird jeder Bereich speziell gewichtet. „Wo mehr ältere Menschen leben, brauchen wir mehr Ärzte“, erläutert Sonntag. Die Gewichtungsfaktoren bleiben nicht konstant. „Wenn irgendwo ein Pflegeheim aufmacht, verändert sich auch der demografische Faktor.“ Dann rechnet man neu. „Die Kollegen haben richtig gerödelt“, um die neuen Planzahlen zu ermitteln, sagt der Mann der KVBW.

Ein Beispiel: Backnang ist ein eigener Planungsbereich. Darin haben am 30. September 2012 exakt 101 444 Menschen gelebt. Der angepasste Gewichtungsfaktor liegt bei 1674. Da 61,25 Arztstellen besetzt sind, errechnet sich ein Versorgungsgrad von 101,1 Prozent. 5,5 weitere Stellen wären drin, bis der Bereich bei einer Versorgungsquote von 110 Prozent gesperrt wird. In immerhin 41 der 101 Bereiche ist der Versorgungsgrad höher als 110 Prozent. In 28 liegt er unter hundert, in neun unter 90 Prozent. Von Unterversorgung wird erst geredet, wenn die Quote der hausärztlichen Versorgung unter 75 Prozent, die der fachärztlichen unter 50 Prozent liegt.

Stuttgart ist anders als Eberbach im Odenwald

Die Planung wird freilich von der Realität eingeholt. Nicht nur, weil man durch die Berechnungen 400 Praxissitze mehr hat als Inhaber. Bei der hausärztlichen Versorgung hat das bereits erwähnte Eberbach im Odenwald mit 73,2 Prozent den ungünstigsten Wert im Land. Das wäre Unterversorgung. Ist es aber nicht, sagt die KVBW, der Bereich „wird von Heidelberg und dem Heidelberger Speckgürtel mitversorgt“.

Wie begrenzt aussagekräftig diese Daten sind, zeigt das Gegenbeispiel. Der Planungsbereich Ellwangen etwa weist einen hausärztlichen Versorgungsgrad von 98,7 Prozent aus. Das ist fast so gut wie Stuttgart mit 103,8 Prozent. In Stuttgart sorgen freilich 465 praktische Ärzte für diese Quote, in Ellwangen 28. Wenn in Stuttgart ein Arzt aufhört und keinen Nachfolger findet, merkt man das statistisch kaum, in Ellwangen dagegen deutlich.