Wer in Schichten arbeitet, lebt gegen die innere Uhr – das kann zu gesundheitlichen Risiken führen. Vor allem Nachtschichten könnten das Risiko für Krebs erhöhen, glauben Experten.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Lyon - Arbeiten wenn andere schlafen: Krankenpfleger, Fließbandarbeiter oder Flugbegleiter machen beruflich regelmäßig die Nacht durch. Für den Körper ist das nicht nur wegen Müdigkeit besonders belastend. Die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) bestätigte jüngst auf Basis neuer Studien ihre frühere Einschätzung, dass Nachtarbeit wahrscheinlich krebserregend ist.

 

Arbeiten in Nachtschicht – so gefährlich wie Glyphosat

Das Arbeiten in Nachtschicht fällt damit laut IARC in die Gruppe 2A - wahrscheinlich karzinogen. Dazu gehören auch etwa der umstrittene Pflanzenschutz-Wirkstoff Glyphosat und der Verzehr von rotem Fleisch. Wie die Agentur mit Sitz in Lyon erklärt, gebe es „eingeschränkte Nachweise“, dass Nachtarbeit zu Tumoren in Brust, Prostata und Darm führen könne. Die Einstufung gilt aber nicht als Risikobewertung, wie die Agentur betont.

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Denn Aussagen über die Wahrscheinlichkeit, mit der Nachtarbeit Krebs auslöst, sind schwer. Die Bewertung der Experten könne lediglich die Frage klären, ob nächtliche Schichtarbeit einen Einfluss auf das Krebsrisiko hat, sagt der an der IARC-Einstufung beteiligte Hajo Zeeb, Leiter der Abteilung Prävention und Evaluation am Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie in Bremen.

Die Einschätzung der Expertengruppe erschien schon im Juli in der Fachzeitschrift «The Lancet Oncology». Erstmals hatte die IARC die Nachtarbeit schon 2007 als wahrscheinlich krebserregend eingestuft.

In Deutschland arbeiten sieben Prozent der Beschäftigten in Wechselschicht

„Wie groß der Einfluss der Nachtarbeit auf das Krebsrisiko ist, lässt sich mit dieser Einschätzung nicht klären. Dazu bräuchte es eine sogenannte Risikobewertung“, betont Zeeb. Außerdem würden individuelle Aspekte einer einzelnen Person in Schichtarbeit bei der Bewertung nicht berücksichtigt.

In Deutschland arbeiteten 2016 nach Angaben der Bundesagentur für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAUA) rund sieben Prozent der Beschäftigten in Wechselschicht mit Nachtarbeit oder dauerhaft nachts. Männer sind dabei deutlich häufiger in der Nachtschicht tätig als Frauen. Außerdem arbeiten niedrigqualifizierte Menschen demnach deutlich öfter nachts als Beschäftigte der mittleren und hohen Bildungsgruppen.

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Gefährliche Störung des Tag-Nacht-Rhythmus

Bisher waren die Wissenschaftler davon ausgegangen, dass Schichtarbeit generell krebserregend sein könnte. Die neuen Studien zeigten nun aber, dass vor allem jene Arbeit zu Zellveränderungen führen kann, bei der der Tag-Nacht-Rhythmus gestört wird.

Die Neubewertung für die IARC übernahm eine Arbeitsgruppe aus 27 Wissenschaftlern aus 16 Ländern. Die Experten analysierten dafür die wissenschaftliche Literatur und Studien. Einige neuere Studien fanden keinen Zusammenhang zwischen Nachtschichtarbeit und Krebs, andere wiederum zeigten überzeugend Risiken auf. Und die Einordnung der biologischen Befunde ist teils hochkompliziert“, sagt Hajo Zeeb, der Teil dieser Expertenkommission war.