Invasive Reptilien werden auch in Stuttgart in großer Zahl ausgesetzt. Wer sie aber aus den Gewässern holt, muss eine artgerechte Versorgung gewährleisten. Das kann ein Problem darstellen, wenn Seen zur Sanierung abgelassen werden.

Gleich zwei Stuttgarter Gewässer werden in diesem Jahr trockengelegt: der Feuersee und der Bärensee. Zwei Örtlichkeiten, deren Zauber viel Publikum anlockt. Dem Feuersee ist das zum Verhängnis geworden: Er ist verdreckt, vermüllt, muss abgelassen und gesäubert werden. Der Bärensee hingegen muss leerlaufen, weil der Damm zwischen Neuem See und Bärensee saniert wird.

 

Als Jungtier gekauft, dann ausgesetzt

Damit Fische und Amphibien dieser Gewässer keinen Schaden nehmen, soll der Württembergische Anglerverein, Pächter der Gewässer, die Tiere bergen. Im Bärensee leben Karpfen, Schleie, Hecht, Barsch, Aal, Weißfische, Graskarpfen – und nicht heimische Schildkröten. „Bei den Fischen ist das kein Problem, die können wir wieder aussetzen. Aber die Schildkröten, die sind ein Problem für uns. Invasive Arten darf man nicht wieder aussetzen. Das wäre illegal“, sagt Hans-Hermann Schock. Er warte seit November auf eine klare Zusage vonseiten der Stadt, welche Institution die Tiere nach der Entnahme aus den Seen versorgen soll.

Rot- beziehungsweise Gelbwangenschildkröten sind den einen ein beliebtes Fotomotiv, den anderen ein unliebsames Tier. Eingewandert sind sie nicht etwa als blinde Passagiere auf den üblichen Gütertransportwegen, sondern über den Tierhandel. „Solange sie klein sind, sind sie putzig. Aber wenn eine ausgewachsene Schildkröte dieser Art am Panzer 30 Zentimeter misst und ihre Lebenserwartung die Ausdauer ihrer Besitzer, sie zu hüten, übersteigt, werden sie oft ausgesetzt“, sagt Isabel Koch, Kuratorin für Reptilien in der Wilhelma, „im besten Fall in einem See.“

In ökologisch wertvollen Gewässern wie den Parkseen „belästigen sie die dort lebenden Tiere“, so Isabel Koch. Auf ihrem Speiseplan stehen Wasserinsekten, Krebstiere, kleine Fische und Wasserpflanzen, große Populationen können also den Bestand anderer Arten gehörig dezimieren. Mit welcher Zahl an Schildkröten man es zu tun hat, wird demnächst am Bärensee ergründet. Nach Aussage des Regierungspräsidiums werde man an allen drei Parkseen voraussichtlich Ende Mai mit der Zählung beginnen.

Zählung startet Ende Mai

Das sogenannte Abfischen geschieht nicht nur mit dem Kescher, sondern mithilfe eines Tellers, auf dem Köder ausgelegt sind und der ins Wasser abgelassen wird. Sitzt eine Schildkröte drauf, angelockt vom Futter, wird der Teller wieder hochgezogen. Wegen des hohen Rands kann das Tier nicht fliehen.

Nur in München gibt es eine Auffangstation

Doch wohin mit all den Reptilien aus dem Bärensee? Das Regierungspräsidium: „Sie werden zur Reptilienauffangstation nach München gebracht.“ Allerdings ist eines der größten Probleme der Auffangstation der mangelnde Platz. Ein Neubau ist geplant, aber noch nicht fertig. „Derzeit nimmt die Station maximal fünf Schildkröten auf einmal entgegen“, sagt Hans-Hermann Schock, „wir kriegen aber locker um die 100 in Stuttgart zusammen“, so der Vorsitzende des Württembergischen Anglervereins.

Das Land Baden-Württemberg leistet sich bislang keine Auffangstation. „Das ist ein großes Problem für alle zuständigen Naturschutzbehörden im Land“, bedauert auch die Stadt Stuttgart. „Wir haben das Landesumweltministerium schon mehrfach aufgefordert, eine landesweite zentrale Einrichtung zu schaffen“, bisher sei jedoch noch nichts geschehen, so das Amt für Umweltschutz.

Der Bärensee soll im Spätherbst oder zum Winteranfang abgelassen werden, teilt die Landesforstverwaltung mit. In der Innenstadt aber drängt die Zeit. Hans-Hermann Schock: „Der Feuersee muss dringend gesäubert werden, und da sind sehr viele Schildkröten invasiver Arten drin.“

Vielleicht könnte zumindest im Feuersee ein Trick helfen: die Schildkröten beispielsweise gar nicht erst aus dem Wasser zu holen. „Würde man das Wasser zum Teil drin stehen lassen“, sagt Isabel Koch, „könnte der Müll entfernt werden, die Tiere könnte man, zu ihrem eigenen Wohl, drin lassen. Der Teich ist kein ökologisch wertvolles Gewässer, so pragmatisch muss man sein.“ Dem hat sich die Fachverwaltung der Stadt am Freitag angeschlossen: „Aus unserer Erkenntnis gibt es momentan keine andere Lösung als den Ist-Zustand.“

Für Krokodile ein Leckerbissen

Junge Schildkröten fallen gelegentlich den Waschbären zum Opfer, aber der einzige Fressfeind, der auf ausgewachsene Rot- und Gelbwangenschildkröten abfährt, ist das Krokodil. Zwei Leistenkrokodile, Frederick und Tong, und das Süßwasserkrokodil Billa leben (offiziell) in Stuttgart, in der Wilhelma. Doch als Futter für die beiden werden die hiesigen Schildkröten nicht enden: „Krokodile sind Gewohnheitstiere. Unsere stehen eher auf Hühnchen, Hase oder Fisch“, sagt Isabel Koch.

Amerikanische Auswanderer

Sumpfschildkröte
 Zu Hause sind Rotwangen- und Gelbwangen-Schmuckschildkröten in den USA. Bei den Populationen in Deutschland handelt es sich um ausgesetzte Tiere. Weibchen werden bis zu 30 Zentimeter lang, Männchen bleiben mit 25 Zentimeter etwas kleiner. Weil sie zur Konkurrenz für heimische Tierarten werden können, sind das Aussetzen der Tiere und ihr Import zu Handelszwecken verboten. Sie werden von der Landesanstalt für Umwelt BW als invasive Art geführt.

Lebensraum
 Rotwangen-Schmuckschildkröten werden 30–40 Jahre alt, sie lieben Teiche und langsam fließende Flussabschnitte, schlammigen Grund und dicht bewachsene Uferzonen. Sie sonnen sich oft stundenlang, meist in großen Trupps. In freier Wildbahn paaren sich die Tiere nur, wenn die Temperatur im Frühjahr hoch genug ist. Bis jetzt gibt es im Freiland keinen Nachweis für Nachwuchs.