Es gebe immer mehr Übergriffe gegen Einsatzkräfte, sagt die Deutsche Feuerwehr-Gewerkschaft – Experten in Baden-Württemberg sehen dagegen kein Gewaltproblem.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Es ist eine drastische Forderung, die die Deutsche Feuerwehr-Gewerkschaft jetzt erhoben hat: Einsatzkräfte von Feuerwehr und Rettungsdienst sollen an Silvester Polizeischutz erhalten. Denn die Gewalt nehme dramatisch zu, sagt Siegfried Maier, der stellvertretende Bundesvorsitzende und Bayern-Chef der Gewerkschaft. In Baden-Württemberg teilen aber weder Einsatzverbände noch andere Gewerkschaften diese Sicht.

 

„Immer mehr Kollegen haben Schwierigkeiten, weil sie im Einsatz bedroht werden“, sagte Maier der Deutschen Presse-Agentur: „Wir haben Angst, dass das noch schlimmer wird.“ An Tagen wie Silvester müsse künftig eine Polizeistreife standardmäßig Feuerwehreinsätze begleiten, fordert die Gewerkschaft. „Regelmäßig werden die Einsatzfahrzeuge mit Raketen beschossen“, so Maier. Auch wenn die Forderung viel mehr Polizeipersonal zur Folge hätte: „Ich halte es für sehr schwer, aber möglich.“

Gewerkschaft fordert ein zentrales Meldesystem

Schon seit drei Jahren macht die Gewerkschaft das Thema Gewalt gegen Einsatzkräfte zu ihrem Thema und ruft die Mitglieder dazu auf, entsprechende Vorfälle zu melden. Siegfried Maier schildert einen besonders krassen Fall aus Dortmund: An Silvester sei dort ein Feuerwehrmann, der die Pumpe bediente, um seine Kollegen in einem brennenden Haus mit Wasser zu versorgen, so heftig mit Raketen beschossen worden, dass er unter dem Feuerwehrwagen Schutz suchen musste.

Für die Kollegen, die versuchten, das Feuer zu löschen und plötzlich kein Wasser mehr hatten, habe das Lebensgefahr bedeutet. Wie groß das Problem wirklich sei, wisse aber selbst die Gewerkschaft nicht, weil Vorfälle nicht zentral erfasst würden. „Wir brauchen endlich ein zentrales Meldesystem“, fordert Maier. Die Schwerpunkte der Gewalt gegen Feuerwehrleute liegen laut Maier in Berlin und im Ruhrgebiet.

Die Deutsche Feuerwehr-Gewerkschaft ist allerdings nur eine von mehreren Gewerkschaften für die Berufssparte. Thomas Schwarz, der bei der Gewerkschaft Verdi für die Fachgruppe Feuerwehr im Südwesten zuständig ist, sagt ganz klar: „Bei uns in Baden-Württemberg gibt es solche Probleme nicht.“ Er wisse von keinen ernst zu nehmenden Übergriffen auf Feuerwehrleute. Die Forderung nach Polizeischutz wäre in der Praxis nicht umzusetzen.

Die Probleme, die die Feuerwehrleute umtrieben, seien ganz andere: Es gebe zu wenig Nachwuchs, immer weniger Menschen seien bereit, das Amt eines ehrenamtlichen Kommandanten zu übernehmen, und es fehlten Ausbildungsplätze. Zugleich erhöhe sich die Zahl der Einsätze, weil die Feuerwehr heute oft wegen Bagatellen gerufen werde, etwa wegen eines glimmenden Papierkorbs, den man selbst mit einer Flasche Wasser löschen könnte.

Auf der Straße ist der Respekt vor Einsatzkräften gesunken

Im Straßenverkehr sehe es allerdings etwas anders aus, betont Schwarz: Dort sei der Ton rauer geworden, Rettungsgassen würden zu selten gebildet, viele Gaffer behinderten die Einsatzkräfte. Auch Frieder Frischling, Geschäftsführer des DRK Stuttgart, sieht mit Sorge, dass der Respekt mancher Menschen gegenüber Rettungsdienst, Feuerwehr und Polizei schwindet: „Das äußert sich aber meistens verbal, tätliche Angriffe stehen bei uns nicht im Vordergrund“, so Frischling. Polizeischutz an Silvester halte er für überzogen.

Frank Knödler, der Chef der Stuttgarter Feuerwehr und Präsident des Landesfeuerwehrverbandes, sagt ebenfalls: Gewalt gegen Feuerwehrleute komme nur in Einzelfällen vor und habe als „Thema keine große Bedeutung“. Ob dies in anderen Bundesländern anders sei, könne er nicht bewerten. Frank Knödler gibt sich selbstbewusst: „Im Zweifelsfall wissen wir Feuerwehrleute uns schon zu helfen.“

Auch das bayerische Innenministerium hat die Forderungen der Deutschen Feuerwehr-Gewerkschaft zurückgewiesen. 2017 kam es laut dem Ministerium lediglich bei jedem 2500. Feuerwehreinsatz in Bayern zu einer Straftat. Die Gewerkschaft geht von einer sehr hohen Dunkelziffer aus.