Ein Großaufgebot der Polizei ist an der B 27 im Stuttgarter Norden im Einsatz, Beamte tragen Maschinenpistolen und Schutzkleidung, eine Fahrspur ist gesperrt. Danach herrscht Schweigen.

Lokales: Wolf-Dieter Obst (wdo)

Stuttgart - Aufsehen erregender Großeinsatz in der Grenze zwischen Innenstadt und Stuttgarter Norden: Zahlreiche Streifenwagen fahren an der Heilbronner Straße (B 27) vor, mit Maschinenpistolen bewaffnete Polizisten stürmen zu einem Mehrfamilienhaus, der Rettungsdienst postiert sich an der Straße, ein Fahrstreifen der stadteinwärts führenden Bundesstraße wird gesperrt. Großer Alarm am Freitagabend – danach allerdings herrscht Schweigen. Für das Führungs- und Lagezentrum der Polizei ist das auch am Wochenende kein erwähnenswerter Fall.

 

Was war passiert? In der Polizeizentrale war am Freitag gegen 19.30 Uhr über Notruf ein Familiendrama in der Heilbronner Straße gemeldet worden. Dabei soll eine 69-jährige Frau in einem Mehrfamilienhaus von ihrem Sohn angegriffen worden sein. Für besondere Brisanz sorgte der Hinweis, dass der gewalttätige Familienmitglied im Besitz einer Hiebwaffe sei und damit gedroht habe.

„Bei einer solchen Gefahrenlage schicken wir so viele verfügbare Streifenwagenbesatzungen raus wie möglich“, heißt es am Montag auf Nachfrage. Wie bei einem Brandalarm: Die Feuerwehr schickt erst einmal lieber mehr als weniger Löschzüge los.

Der Fall ist der Polizei keine Meldung wert

Familiendramen dieser Art spielen sich in Stuttgart immer wieder ab – mit teils schrecklichen Folgen. Anfang Mai etwa war ein 25-Jähriger in Wangen von seinem Vater und seinem Bruder geschlagen, gefangen gehalten und erpresst worden. Noch schlimmer endete wenige Tage später ein Drama in Riedenberg, wo ein 60-Jähriger von seinem 27-jährigen Sohn umgebracht wurde.

Der jüngste Fall in der Heilbronner Straße ging glimpflich aus. Der Sohn konnte in der Wohnung festgenommen werden. Die Mutter hatte sich nach draußen gerettet. Die vermutete Hiebwaffe wurde nicht gefunden. Der 35-Jährige wurde wegen psychischer Auffälligkeiten in eine Klinik gebracht.

„Nicht jeder der täglich 600 Polizeieinsätze kommt an die Öffentlichkeit“, sagt Polizeisprecher Stefan Keilbach. Auch dieser Fall sei keine Meldung wert: Weil keine Gefahr für die Öffentlichkeit bestanden habe, seien „schutzwürdigen Belange eines Einzelnen in einer Wohnung letztlich höher zu bewerten“.