IG-Metall-Chef Jörg Hofmann gibt eine Stärkung der Tarifbindung als zentrales Ziel seiner Amtszeit vor. Im Zukunftsreferat kündigt er zudem eine groß angelegte Kampagne zur Arbeitszeit an. Mit Kanzlerin Merkel zeigt sich in vielem einig – mit einer Ausnahme.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Frankfurt - Die Kanzlerin ist Stammgast bei der IG Metall, seitdem diese vor acht Jahren unter Berthold Huber einen politisch eigenständigen Kurs eingeschlagen hat. In Frankfurt tritt Angela Merkel schon zum vierten Mal beim Gewerkschaftstag der Metaller auf. „Da können nicht viele Delegierte mithalten“, lobt der neue Vorsitzende Jörg Hofmann. „Willkommen in der Welt der Mitbestimmung.“

 

Merkel bedankt sich mit einer vierzigminütigen Rede, in der sie mehrfach die gute Zusammenarbeit unterstreicht und ihre Unterstützung zusagt – zum Beispiel bei dem gemeinsamen Anliegen, die Tarifbindung „auf starke Füße zu stellen“. Mit Sorge beobachte sie, dass die Zahl der Betriebe, die einem Tarifvertrag unterliegen, stark zurückgegangen sei. „Wenn wir das staatlich regeln müssen, wird es nicht besser.“ Doch werde auch sie sich dafür einsetzen, „dass wir mehr Tarifbindung bekommen“.

„Gerechtigkeitsfrage Nummer eins“

Da die Reden führender Politiker meist im Vorfeld abgestimmt werden, trifft Merkel nicht zufällig den Kern des 70-minütigen Zukunftsreferats, mit dem Hofmann am Morgen seine Ziele für die nächsten vier Jahre beschrieben hat. Demzufolge will er seine Amtszeit vor allem an der Zahl von Beschäftigten im Tarifvertrag und an der regionalen Präsenz der IG Metall messen lassen. „Die Zeiten schwindender Tarifbindung sind vorbei“, kündigte er an. Dies sei die „Gerechtigkeitsfrage Nummer eins“. Anfang der 90er Jahre waren noch 70 Prozent der Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie in der Tarifbindung. „Dann begann“, so Hofmann, „der freie Sinkflug“, der erst nach dem Pforzheimer Tarifabschluss von 2004 gebremst wurde. „Heute sind noch etwas mehr als 50 Prozent in unserem Organisationsbereich durch einen Branchentarifvertrag erfasst.“ Hinzu kämen fünf Prozent über Haus- und Anerkennungstarife.

Die Differenzen sind enorm: In Bayern liegt die Tarifbindung bei 69 Prozent, in Baden-Württemberg knapp darunter – in Sachsen jedoch bei lediglich 20 Prozent. Auch zwischen den Branchen tun sich Gräben auf: Bundesweit weist der Fahrzeugbau eine Zugehörigkeit zum Flächentarifvertrag von 70 Prozent auf – in der Möbelindustrie hingegen liegt der Wert unter 30 Prozent und im KfZ-Handwerk bei 19 Prozent. Dies führt auch zu markanten Unterschieden bei den Löhnen: Ein Facharbeiter verdient bis zu 18 Prozent weniger in einem tarifungebunden Betrieb – ein Angelernter gar bis zu 28 Prozent weniger.