Geflutete Ortschaften, zerstörte Dächer, Feuerwehren im Dauereinsatz: Das Gewitter hat in der Region massive Schäden verursacht, im Kreis Böblingen wäre fast ein Mann in seinem Auto ertrunken. Betroffene berichten von dramatischen Szenen.

Region Stuttgart - Keine Schwerverletzten, und vor allem – keine Todesopfer. Das Unwetter hat am Mittwoch zwar enorme Schäden in der Region Stuttgart verursacht, aber in allen Landkreisen ist am Tag danach eine Aussage immer wieder zu hören: Angesichts der Urgewalt der Gewitterfront hätte alles noch viel schlimmer ausgehen können. Schlimm war es trotzdem, und mancherorts werden die Aufräumarbeiten mehrere Tage andauern. Am heftigsten hat es den Landkreis Esslingen getroffen, aber auch in den anderen Kreisen waren die Feuerwehren bis teilweise spät in die Nacht im Einsatz, während die Landeshauptstadt glimpflich davon kam. Stellenweise reichten in der Region wenige Minuten Starkregen, um ganze Ortschaften zu überfluten.

 

Um kurz vor 18 Uhr brach das Unheil über weite Teile des Landkreises Esslingen herein: Starkregen, Hagel und Windböen peitschten über das Land, vielerorts konnte die Kanalisation die Wassermengen nicht mehr fassen. Straßen und Unterführungen wurden überflutet, Keller und Tiefgaragen liefen voll, Bäume knickten um. Feuerwehr und Technisches Hilfswerk waren im Dauereinsatz.

Die Aufräumarbeiten werden noch lange andauern

Sezgin Baki aus dem Kirchheimer Stadtteil Ötlingen gehört zu denen, die besonders hart unter den Folgen zu leiden haben. Wie auch viele seiner Nachbarn hat er zwar gerade noch rechtzeitig sein Auto und Motorrad in Sicherheit gebracht, als sich der Himmel verdunkelte: „Fünf Minuten später wär’s zu spät gewesen“, erzählt er. Aber die Schäden am Haus seien beträchtlich. „Nach der letzten Überschwemmung habe ich bessere Kellerfenster einbauen lassen, doch auch die hielten nicht stand.“

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Wenn sich Baki in seinem Viertel umschaut, bietet sich ein Bild der Zerstörung: Überall werden am Donnerstag Garagen und Keller geräumt, Möbel und Teppiche sind oft nicht mehr zu retten, der Hagel hat Rollläden durchlöchert und Dellen in Autos geschlagen. Während die Feuerwehr noch Keller auspumpt, rücken bereits die ersten Handwerker an, um Dächer und Fenster zu reparieren.

Kirchheims Oberbürgermeister Pascal Bader hat Hilfe zugesichert. „Wir haben vereinbart, dass Betroffene die Sperrmüllabfuhr schneller bestellen können“, sagt er. Außerdem werde das Rote Kreuz Trocknungsgeräte besorgen und an Bürger verleihen, deren Keller überschwemmt wurden.

In Weissach steht der Marktplatz unter Wasser

Im Kreis Böblingen hat das Unwetter vor allem die Porschegemeinde Weissach mit voller Wucht erwischt, wo unter anderem der Marktplatz überflutet wurde. Hagelkörner türmten sich an manchen Stellen bis zu 20 Zentimeter hoch auf. In seinen acht Jahren als Feuerwehrkommandant habe er so etwas noch nicht erlebt, sagt Holger Marquardt.

Die Feuerwehr war mit allen 50 Einsatzkräften und fünf Fahrzeugen bis weit nach 21 Uhr im Einsatz. Schon bis 18 Uhr verzeichnete der Kommandant 35 ausgepumpte Keller. „Das waren aber nur die mit mehr als zehn Zentimetern, wo wirklich Gefahr im Verzug ist.“ Die Zahl der Wasserschäden insgesamt sei deutlich höher. Hinzu kamen umgestürzte Bäume und ein dramatischer Rettungseinsatz: Ein Autofahrer war von der Straße abgekommen und mit seinem Wagen in einen Bachlauf geraten, weil er den Weg nicht mehr gesehen hatte. Das Fahrzeug wurde mitgerissen und lief voll mit Wasser. „Der Mann kam nicht mehr raus und drohte zu ertrinken“, berichtet Marquardt. Erst der Feuerwehr gelang es schließlich, den Fahrer zu befreien, er blieb unverletzt.

„Das Wasser kam durch die Steckdose“

Den Rems-Murr-Kreis erreichte das Unwetter gegen 19.30 Uhr, gegen Mitternacht und in den frühen Morgenstunden gab es erneut heftige Niederschläge. Mehrere Keller liefen voll, Straßen wurden von Wasser und ausgeschwemmtem Geröll bedeckt. Betroffen waren vor allem Schorndorf und umliegende Kommunen. In Plüderhausen wurde die Bahnunterführung überflutet. Dort steckte ein Wagen fest. „Die Person, die sich darin befand, konnte sich selbst befreien“, berichtet ein Sprecher der Feuerwehr. Die Einsatzkräfte schafften es, das Auto aus der überfluteten Unterführung herauszuziehen. In Schorndorf berichten Bewohner der Altstadt, wie das Wasser teilweise durch die Wände in ihre Häuser eingedrungen sei. „Es kam sogar durch durch die Steckdose.“

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Weniger gravierend sind die Folgen im Kreis Ludwigsburg. „Es gab keine lebensbedrohlichen Situationen und keinen Personenschaden“, so Kreisbrandmeister Andy Dorroch. In Pleidelsheim kamen innerhalb von 20 Minuten etwa 25 bis 30 Liter Wasser vom Himmel, die Folge: einige überflutete Fahrbahnen, schwimmende Gullideckel, vollgelaufene Keller.

Die Hagelflieger verhindern offenbar schlimmere Schäden

Schon kurz vor 15 Uhr waren rund um Ludwigsburg Hagelflieger im Einsatz. Die Piloten der am Stuttgarter Flughafen stationieren Maschinen verbrennen in Aufwinden von Wolken eine Silberjodid-Verbindung. Das führt dazu, dass sich nur kleine statt großer Hagelkörner bilden, die meist zu Regen oder Graupel schmelzen, bevor sie den Boden erreichen. So schüttete es zwar heftig, aber von massiven Schäden ist nichts bekannt. „Wenn der Hagelflieger nicht unterwegs gewesen wäre, hätte es sicher schlimmer ausgesehen“, sagt Michael Dahm, der stellvertretende Feuerwehrkommandant in Asperg.

Sezgin Baki aus dem Kreis Esslingen hatte weniger Glück, er wird die nächste Zeit mit Aufräumarbeiten verbringen. Schlimmer als die Nässe sei der Schlamm. Im Freien, im Keller: Alles ist mit einer schmierigen Schicht überzogen. „Wenn der Schlamm trocknet, fängt er erst modrig zu stinken an, dann wird er steinhart.“ Baki hat eine Abfallmulde geordert, um all das, was nicht mehr zu retten ist, zu entsorgen. Und er hat sich Nasssauger und Hochdruckreiniger besorgt.