Giesser Messer in Winnenden ist nicht gleich Giesser Messer. Zwar haben beide Firmen den selben Ursprung, zählen heute jedoch zur Weltspitze in zwei gänzlich unterschiedlichen Märkten.

Manteldesk: Thomas Schwarz (hsw)

Winnenden - Mit Produkten einer der beiden Winnender Firmen mit Namen Giesser hat ein großer Teil der Menschheit täglich indirekt Kontakt. Egal, ob sie Fischstäbchen oder Steaks essen, in einem Restaurant speisen, beim Metzger einkaufen, Zeitung lesen, sich beim Konditor überlegen, welche Torte sie kaufen wollen, sich eine Tüte Gummibärchen gönnen oder ein Kleidungsstück anziehen: Ein Giesser-Messer war mit größter Wahrscheinlichkeit bei der Herstellung des jeweiligen Produkts beteiligt. Doch Giesser ist nicht gleich Giesser! Es gibt zwei Firmen dieses Namens, deren Messer international gefragt sind, die aber unabhängig voneinander arbeiten. Was sie eint, ist der Vorfahr Johannes Gießer, ein Messerschmied, der sich 1776 in Winnenden ansiedelte. Nach ihm ist vor kurzem eine neue Straße im Gewerbegebiet Schmiede II in Hertmannsweiler benannt worden.

 

Industriemesser und Handmesser

Die Johannes Giesser Messerfabrik, die heute ihren Sitz in Hertmannsweiler und in der Kernstadt hat, stellt Handmesser für Profis wie Schlachter oder Köche her. Die Alfred Giesser Messerfabrik in Birkmannsweiler produziert Industrieklingen, die in Maschinen zum Einsatz kommen. Die Brüder Hermann und Hans-Joachim Giesser sind die Spezialisten für Handmesser, ihr Vetter Ulrich Giesser, der vor kurzem die Geschäfte der Alfred Giesser Messerfabrik abgegeben hat, ist Experte für Industriemesser. Als die Straße nach ihrem Vorfahren benannt wurde, erklärten sie gemeinsam die komplexe Familiengeschichte.

Der Reutlinger Johannes Gießer kam nach Winnenden, weil der Markt für Messer, die vor allem im Weinbau gebraucht wurden, dort gesättigt war. So beantragte der Messerschmied, in Winnenden arbeiten zu dürfen, was ihm 1776 erlaubt wurde. In der nächsten Generation schreibt sich der Familienname dann mit Doppel-S: Gottlob Giessers Eintrag 1865 im Gewerbekataster lautet „Handwerkliche Herstellung von Küchen-, Schlacht-, Taschen- und Gartenmessern“. 1880 kommt ein Ladengeschäft in der Marktstraße hinzu.

Familienbetrieb teilt sich in zwei Zweige auf

1934 scheidet Johannes Giesser aus dem Familienbetrieb aus und gründet seine eigene Messer-Firma, die sich auf Handmesser spezialisiert. „Er hat damals auf der grünen Wiese gebaut“, sagt sein Enkel Hermann Giesser. Heute steht dieses Gebäude an der Ecke B 14 und Bachstraße mitten in der Stadt. Mit den Jahren wurde die Fabrik zu klein und die Brüder Hermann und Johannes Giesser, die seit 1987 gemeinsam die Geschäfte führen, errichteten 2004 in Hertmannsweiler einen Neubau. Ihre Messerfabrik zählt weltweit zu fünf Firmen, deren hohe Qualität ebenbürtig ist. Ihr bekanntester Mitbewerber ist die Schweizer Firma Victorinox, welche die berühmten roten Taschenmesser herstellt.

Parallel stieg die Alfred Giesser Messerfabrik im Bereich der Industrieklingen weltweit in eine Spitzenposition auf. „Unser Vertriebsweg ist ein komplett anderer“, sagt Ulrich Giesser. In Birkmannsweiler werden ständig individuelle Klingen-Lösungen für Maschinen entwickelt, die in verschiedensten Industrien eingesetzt werden: von der Lebensmittel- über die Verpackungs- und Textilindustrie bis hin zur Papier- und Kunststoffindustrie.

Toleranzen von Bruchteilen von Millimetern

„Wir arbeiten in einem Toleranzbereich von Bruchteilen von Millimetern“, sagt Berthold Kern, der die Geschäftsführung von Ulrich Giesser übernommen hat. „Deshalb brauchen wir Mitarbeiter, die durch lange Erfahrung wissen, was zu tun ist.“ Die personelle Fluktuation ist in beiden Firmen gering, ihre Facharbeiter bilden sie selbst aus. In Hertmannsweiler kann man stolz darauf verweisen, aus den Jahren 2002, 2006, 2008 und 2013 einen Bundessieger im Ausbildungsberuf Schneidwerkzeugmechaniker in den Reihen zu haben.

Neben dem gemeinsamen Namen teilen sich die Giessers auch Stände bei Messeauftritten. Zudem spielen sie in der Entwicklung rostfreien Stahls eine gewichtige Rolle. 2012 kooperierte die Alfred Giesser Messerfabrik mit der Universität Bochum, um einen neuartigen Stahl zu konzipieren. Dieser zeichnet sich unter anderem durch bessere Korrosionsbeständigkeit aus.