Muhterem Aras (Grüne) und Ursula Männle (CSU) diskutierten im Atelier im Bollwerk über Gleichberechtigung in der Politik. Ein Vormittag, der männliche Zuhörer kleinlaut werden lässt.

Stadtleben/Stadtkultur: Jan Sellner (jse)

Die sprichwörtliche Ochsentour durch die Parteien ist nichts im Vergleich zu dem beschwerlichen Marsch, den Frauen in der Bundesrepublik auf dem Weg der Gleichberechtigung zurücklegen mussten. Besonders in der Politik. Das zeigt eindrucksvoll der am Sonntag im Atelier im Bollwerk gezeigte Dokumentarfilm „Die Unbeugsamen“ des Filmemachers Torsten Körner. Er porträtiert Frauen der Bonner Republik und thematisiert die männergemachten Hürden, die sie auf dem Weg an die Macht überwinden mussten. Frauen und Macht? Reflexhaft wird hinter diese Kombination ein Fragezeichen gesetzt, wie die ehemalige SPD-Politikerin Renate Schmidt erlebt hat. Sie selbst setzt hinter Macht ein Ausrufezeichen. „Ich will Macht, weil ich nicht machtlos und damit nicht ohnmächtig sein will“, sagt sie. Es geht um Frauenpower und um Gerechtigkeit.

 

Renate Schmidt ist eine der Protagonistinnen der „Unbeugsamen“, wie auch Ingrid Matthäus-Maier und Hildegard Hamm-Brücher von der FDP, die gegen den Bruch der sozial-liberalen Koalition 1982 aufbegehrten. Außerdem Waltraud Schopper von den Grünen, die 1983 im Bundestag für einen Aufruhr sorgte, als sie forderte, Vergewaltigung in der Ehe unter Strafe zu stellen. Oder Christa Nickels, ebenfalls Grüne. Nach ihrer ersten Bundestagstagsrede überreichte sie Kanzler Helmut Kohl eine Kette aus Papierkranichen, die im Kontext der Nato-Nachrüstungsdebatte an Hiroshima erinnerte. Die Süffisanz, mit der Kohl dies quittierte wirkt heute schwer erträglich.

Die unbeugsamen Frauen wussten sich zu helfen

Eine andere Unbeugsame ist bei der Filmvorführung am Sonntag persönlich anwesend: Ursula Männle, CSU, langjährige Bundestags- und Landtagsabgeordnete sowie ehemalige bayerische Staatsministerin für Euro- und Bundesangelegenheiten. Die 78-Jährige war der Einladung von Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne) nach Stuttgart zu der Matinée im Bollwerk gefolgt. Die CSU-Politikerin und Sozialwissenschaftlerin beschreibt im Film und in der anschließenden Live-Diskussion Zumutungen denen Frauen im männlich dominierten Politikbetrieb ausgesetzt waren und zum Teil immer noch sind, wenn auch nicht so plump wie früher. Dass an dem anmaßend-herablassenden Umgang mit Politikerinnen in der Bonner Republik auch Medien ihren Anteil hatten, wird in dem Film durch Moderations– und Interviewausschnitte mit bekannten Fernsehmoderatoren dokumentiert.

Die „Unbeugsamen“ wussten sich jedoch zu helfen. Sie knüpften Frauen-Netzwerke über Parteigrenzen hinweg, wie Ursula Männle im Gespräch mit Muhterem Aras verrät. Die CSU-Frau traf und besprach sich etwa mit ihren Kolleginnen Schopper und Schmidt; man lotete gemeinsam aus, wann welche Themen in der eigenen Partei reif und damit mehrheitsfähig waren – ein Vorgehen das Aras gerne übernehmen will.

Ein Vormittag, der Wirkung hinterlässt

Beim Thema Quote hat Männle inzwischen umgedacht. Früher hätte sie leidenschaftlich dagegen argumentiert. Heute sei sie klar dafür, sagt die CSU-Frau und lobt die Grünen für ihrer Vorreiterinnenrolle. Der Frauenanteil in den Parlamenten sei noch immer zu niedrig, und die Dinge entwickelten sich nicht einfach so zum Besseren.

Der Vormittag zeigt Wirkung. Als einer der wenigen männlichen Teilnehmer verlässt man die Veranstaltung beschämt und kaut an der aufgeworfenen Frage herum, warum es schon wieder die Herren der Schöpfung waren, die diesen wichtigen Film produziert haben. Und warum nun ein Mann über diesen Vormittag schreiben würde.