Dichtgedrängt standen die Zuschauer am Samstag an den Straßen in der Innenstadt, um sich den Maientagsumzug anzuschauen. So mancher Stadtrat mag da mit Schaudern daran zurückgedacht haben, dass die Strecke beinahe halbiert worden wäre.

Göppingen - Ein PR-Stratege oder ein Veranstaltungsmanager hätte vermutlich die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen – aber den Göppingern scheint es vollkommen wurscht gewesen zu sein, dass der traditionelle Maientagsumzug in diesem Jahr auf der zweiten Hälfte der der Strecke an vielen Baustellen vorbeigeführt hat. In Massen drängten sich die Zuschauer in der Hauptstraße, am Schlossplatz und in der Schlossstraße am Straßenrand. In der Grabenstraße und entlang der Apostel- sowie der Agnes-Baustelle wurde es zwar etwas lichter, doch die Mörikestraße hinauf zum Oberhofenpark standen die Göppinger erneut dicht beinander und freuten sich an dem bunten Zug und den vielen Kapellen, die durch ihre Stadt zogen.

 

Die Stadtverwaltung hatte bekanntlich befürchtet, dass der Umzug wegen der wenig ansprechenden Baustellen auf der zweiten Hälfte ein Reinfall werden könnte. Die Maientagskommission beschloss deshalb auf Anregung aus dem Rathaus, die Umzugsstrecke zu halbieren – zum Entsetzen vieler Stadträte. Nach einigen heftigen Debatten, machte eine deutliche Mehrheit des Gemeinderats die Entscheidung rückgängig, zum ersten Mal in der Geschichte des Festes hatten die Stadträte damit der Kommission in die Organisation des Festes hineinregiert.

Mehr Platz und Schatten – entlang der Baustellen gibt es auch Vorteile

„Wir stehen hier, weil wir immer hier sind“, sagt eine ältere Dame am Samstagvormittag. Sie ist etwas verdutzt darüber, dass man „ihren“ Platz Ecke Pfleg- und Grabenstraße überhaupt hinterfragen kann. Nein, sagt sie, die große Baustelle, auf der Arbeiter auch jetzt das neue Hotel Apostel in die Höhe ziehen, störe sie nicht. „Wir schauen uns ja den Umzug an und nicht die Baustelle“, erklärt sie und die Umstehenden pflichten ihr bei.

Sobald der Umzug da sei, nehme man die Baustelle ohnehin nicht mehr war, erläutert sie. Außerdem gebe es hier mehr Platz, man könne alles gut sehen und Schatten gebe es auch. Auch darin pflichten ihr die Umstehenden bei. Eine weitere Frau schaltet sich ein: Sie habe die Diskussion im Rathaus über die Streckenkürzung und die Baustellen nicht nachvollziehen können, sagt sie. „Es ist doch bei allen Umzügen so, dass es an der Strecke Stellen mit mehr und mit weniger Zuschauern gibt. Das ist ganz normal.“

Bauarbeiter schwenken die Helme

Während die Bürger noch erklären, warum sie mit ihrem Platz neben der Baustelle ganz zufrieden sind, nähert sich der Festumzug. Die Stadtkapelle schmettert einen Marsch, die Stadträte laufen vorbei und winken den Zuschauern zu – und die Bauarbeiter auf ihren Gerüsten schwenken die Bauhelme. „Seht mal, die Bauarbeiter winken alle. Wie nett“, sagt eine der Frauen und alle sind vollends versöhnt mit ihrer Nachbarschaft.

Wenige hundert Meter weiter führt der Festzug an der Agnes-Baustelle entlang. Helme schwenkende Bauarbeiter gibt es dort zwar nicht, doch um die Ecke in der Mörikestraße stehen die Bürger wieder dicht an dicht. Die Stadträte, die den Zug angeführt haben, sind bereits im Oberhofenpark angekommen. Dort schauen sie sich den Rest des Zugs von einer Tribüne aus an. Mit ihrer Entscheidung für die ursprüngliche Umzugsstrecke scheinen alle glücklich zu sein. Auch wenn dem ein oder anderen unterwegs in der prallen Sonne ganz gut warm geworden ist.

Die Stadträte sind happy – der Oberbürgermeister ist es beinahe

„Das war die richtige Entscheidung“, sagt der Chef der Grünen, Christoph Weber. Susanne Weiss (FDP), Klaus Wiesenborn (SPD) und der SPD-Chef Armin Roos sehen es ebenso und auch der CDU-Chef Felix Gerber und Volker Allmendinger stimmen zu. An der kürzeren Strecke hätte man die vielen Zuschauer vermutlich überhaupt nicht untergebracht, ist der Tenor.

„Die Bauzäune waren schon hässlich, aber an den anderen Streckenabschnitten ist man dafür entschädigt worden“, resümiert selbst der Oberbürgermeister Guido Till, der eigentlich für die Streckenkürzung plädiert hatte.