Manche Stadträte frohlocken, andere sind empört: Die Stadt hat die Überlegungen, die Alte Gießerei auf dem Boehringer-Areal für Veranstaltungen zu nutzen, ohne Gemeinderatsbeschluss beendet. Stattdessen soll das Gebäude verkauft werden.

Göppingen - Es ist gerade einmal vier Monate her, dass Armin Roos, der Chef der SPD-Gemeinderatsfraktion, gegenüber unserer Zeitung sagte, er befürchte, „dass die ganze Entwicklung auf dem Boehringer-Areal am Gemeinderat vorbeigeht, und wir am Ende vor vollendete Tatsachen gestellt werden.“ Nun sieht es so aus, als würde Roos Recht behalten. Denn die Stadt hat nicht nur die Überlegungen, die Alte Gießerei auf dem Gelände als neue Veranstaltungshalle zu nutzen ad acta gelegt. Sie ist Insidern zufolge zurzeit auch dabei, mit der Salacher Firma Emag über einen Verkauf der Halle zu verhandeln – dabei wurde bisher gerade die historische Alte Gießerei als Herz des Areals und möglicher Standort für ein Kultur- und Gastronomieangebot auf dem Areal betrachtet.

 

Vor vier Monaten hatte der Chef der städtischen Tochter Business-Park Göppingen (BPG) noch argumentiert, dass auf dem Gelände zwar bereits die Mehrzahl der Flächen an Wirtschaftsbetriebe vermietet sei, dies sei jedoch kein Hindernis für die Pläne des Gemeinderats, der auf dem Gelände eine Mischung aus Kultur und Wirtschaft anstrebt. Denn es gehe lediglich darum, möglichst alle Flächen gewinnbringend zu nutzen, bis die Pläne fertig seien. Das Zauberwort sei „Zwischennutzung“. Mit dem Verkauf, über den nun offenbar verhandelt wird, sieht das freilich plötzlich ganz anders aus.

Zweckbau im Stauferpark als neue Messehalle?

Oberbürgermeister Guido Till hat jüngst bereits bekannt gegeben, dass die Stadt den Plan, die Alte Gießerei unter anderem als Ersatz für die Werfthalle im Stauferpark zu nutzen, nicht mehr verfolgt. Er werde alles daran setzen, dass die Firma Emag, die die Halle bereits gemietet hat, dort bleiben könne. Er freue sich, dass das Unternehmen in Göppingen Arbeitsplätze angesiedelt habe. Zu den Verkaufsverhandlungen, die laut Insidern zwischen der Stadt und Emag geführt werden, sagt Till nichts. Die Stadt werde sich zu Inhalten der Verhandlungen erst äußern, wenn die Gespräche abgeschlossen und der Gemeinderat informiert sei, teilt der Stadtsprecher Dejan Birk-Mrkaja mit.

Stattdessen hat Till nun einen neuen Ersatzstandort für die beliebte Werfthalle ins Spiel gebracht. Man könne, so das Stadtoberhaupt, möglicherweise im Stauferpark auf dem Gelände der einstigen Clinic der Amerikaner bauen – nur einen Steinwurf von der Werfthalle entfernt, die bekanntlich voraussichtlich vom kommenden Jahr an nicht mehr für Veranstaltungen zur Verfügung steht, weil sie bereits vor zwei Jahren von der Firma Kleemann übernommen wurde. Zurzeit, sagt Till, erarbeite die Stadt ein Konzept für einen Zweckbau auf dem Clinic-Gelände. Wann dort gebaut werden könnte und ob aus den neuen Plänen tatsächlich etwas wird, ist noch völlig offen.

Die Stadträte sind geteilter Meinung

Ohnehin haben auch die Stadträte noch ein Wörtchen mitzureden. Die sind zurzeit sehr geteilter Meinung darüber, was von dem Kurswechsel zu halten ist. So stellt sich der CDU-Chef Felix Gerber ausdrücklich hinter die Pläne der Stadtverwaltung. Es sei richtig, das Boehringer-Areal wirtschaftlich zu nutzen und dort Arbeitsplätze zu schaffen findet er. Und er halte den Standort Clinic für sehr vielversprechend für eine Messehalle – zumal die Chapel mit ihrem alternativen Kulturprogramm direkt daneben liege. Womöglich könne so ein großer Gewinn für die Göppinger Kulturlandschaft entstehen.

Ganz anders sehen die Sache die SPD, die Grünen und auch die Lipi. Sie ärgern sich darüber, dass die Stadt sich von der ursprünglich geplanten Mischnutzung ohne entsprechenden Gemeinderatsbeschluss verabschiedet hat. Unisono fordern Roos, der Grünen-Chef Christoph Weber und der Lipi-Chef Christian Stähle, das Thema im Gemeinderat zu besprechen, bevor Entscheidungen fallen. Alle drei wollen sich nicht ohne weiteres von den bisherigen Plänen verabschieden.

Grüne schielten in Richtung Internationale Bauausstellung

Man könne, so heißt es aus den Reihen des Gemeinderates, ja über alles reden und natürlich seien Arbeitsplätze wichtig. Doch mit ihrem Vorgehen vergebe die Stadt ohne Not die große Chance, auf dem Boehringer-Areal eine wirklich zukunftsweisende Entwicklung für die ganze Stadt zu erreichen. Die Rede ist deshalb auch von einem Mangel an Courage.

Tatsächlich hatten etwa die Grünen bereits in Richtung der Internationalen Bauausstellung (IBA) im Jahr 2027 in der Region Stuttgart geschielt. Dabei soll es um die zukunftsweisende Entwicklungen von Industriebrachen gehen, Projektkommunen winken Zuschüsse. Ersten Gesprächen mit IBA-Verantwortlichen zufolge hätte Göppingen gute Chancen gehabt, mit dem Boehringer-Areal teilzunehmen.