Simon Vollmer ist einer von acht Jungs, die in Stuttgart den jungen Tarzan darstellen. Für diese Rolle muss er nicht nur singen und tanzen können, sondern auch Akrobatik beherrschen.

Göppingen - Göppingen - Zum Geburtstag wünscht er sich – für einen Jungen ist das doch eher ungewöhnlich – Perücken oder Schminke, und im Keller seines Elternhauses in Göppingen hat er ein kleines Theater eingerichtet. Mit Vorhang, Scheinwerfern, Nebelanlage und allem, was man so braucht auf den Brettern, die die Welt bedeuten. Simon Vollmer liebt das Musical. Dabei ist er erst zwölf Jahre alt. Seiner Leidenschaft frönt der Sechstklässler seit Neuestem nicht nur im Keller. Simon ist einer von acht Jungen, die im Stage Apollo Theater in Stuttgart in einem Disney-Musical den jungen Tarzan darstellen dürfen – vor 1800 Zuschauern. Mit seinem Charme und seiner Spielfreude hat er das Publikum im Sturm erobert.

 

Nicht nur Simon hat Lampenfieber, wenn der nächste Auftritt naht. Im ganzen Hause Vollmer stehen die Zeichen auf Tarzan. „Seine beiden Geschwister kommen da manchmal zu kurz“, sagt der Vater Stefan Vollmer, der mittlerweile auch vom Musicalvirus infiziert ist. Doch Eifersüchteleien gebe es nicht. Alle freuten sich über Simons Erfolg, und alle zitterten mit. Dass ihr Sohn ein Musicaltalent ist, das hätten Christine und Stefan Vollmer nicht gedacht. Doch vor ein paar Jahren haben seine Mutter und seine Schwester Julia ihm eine CD über das Musical „Der König der Löwen“ mitgebracht. Der Funke sprang über. Fortan sang Simon die Lieder und spielte die einzelnen Szenen akribisch nach. Sein Publikum war die Familie. Und weil es sich bei der Begeisterung um kein Strohfeuer handelte, meldete ihn seine Mutter in der Ballett- und Musicalschule von Torsten Moll in Geislingen an. Dort wird Gesang, Tanz, Schauspiel und Akrobatik gelehrt. Simon war selig.

Berufswunsch Musicalstar

Und ist es nun umso mehr. Wenn er über die Aufführungen und Proben in Stuttgart spricht, dann ist er wie elektrisiert und kann fast nicht still sitzen. Es sei einfach „cool“, an einer Liane durch die Luft zu schwingen, dazu die Musik von Phil Collins, das Licht, die Leute, die Aufregung. Seine Eltern freuen sich über diesen Überschwang. Es macht sie glücklich, dass ihr Sohn für sich etwas gefunden hat, das ihn voll und ganz erfüllt. Deshalb sind sie auch bereit, ihn in seinem Berufswunsch zu unterstützen. Simon möchte, wie könnte es anders sein, Musicalstar werden.

Dass das Showgeschäft kein Zuckerschlecken ist, das ist dem Zwölfjährigen bewusst. Die Castings zu Tarzan waren hart, und er war sich nicht so sicher, ob er wirklich mit den anderen Bewerbern mithalten kann. Nach der ersten Runde, in der er mit dem Lied „Ich will jetzt gleich König sein“ aus dem Musical „Der König der Löwen“ brillierte, bangte er sechs lange Wochen, ob er weiterkommen würde. Er schaffte es und wurde zu den Proben eingeladen. Zwei- bis dreimal wöchentlich standen in Stuttgart oder Hamburg Schauspiel, Gesang, Sprechen und Akrobatik auf dem Programm. Dass er aber tatsächlich in Stuttgart auf der Bühne stehen würde, das erfuhren er und die anderen jungen Tarzandarsteller, die ausgewählt wurden, erst wenige Wochen vor der Premiere am 21. November, bei der auch Simon mitwirkte.

Hoffen auf einen späten Stimmbruch

Über all der Euphorie liegt aber auch ein Schatten. Denn der Stimmbruch oder ein schnelles Wachstum könnten seinen Bühnenambitionen ein jähes Ende bereiten. Die jungen Tarzandarsteller dürfen nicht größer als 1.40 Meter sein und sollen noch ihre Kinderstimme haben. Simon hofft, dass er möglichst lange spielen kann, aber er ist realistisch: „Keiner von uns wird bis zum Ende dabei sein, alle vier Monate findet ein neues Casting statt“,sagt er. Doch bis dahin will er seine Zeit nutzen.

Der junge Tarzan sei die anspruchsvollste Kinderrolle in einem Musical in Deutschland, sagt die Pressesprecherin des Stage Apollo Theaters, Sabine Röll. Simon ist bei den Aufführungen immerhin 25 Minuten auf der Bühne, ein Lied singt er sogar ganz allein. Damit die Schule nicht zu kurz kommt, teilt er sich die Rolle mit sieben anderen Jungen. Die Vorschriften wollen es, dass Kinder höchstens 30 Mal im Jahr auf der Bühne stehen dürfen. Denn die Aufführungstage sind lange und aufregend.

Deshalb hat Stefan Vollmer ein Ritual ersonnen, um seinen Sohn nachts nach seinen Auftritten herunterzuholen. „Da gibt es einen Tee.“ Doch zuvor geht’s ab ins Badezimmer. Die Körperbemalung, die Simon vor den Aufführungen verpasst bekommt, sei nur schwer abzukriegen, sagt Christine Vollmer und lacht. „Ohne ein Badeöl geht da gar nichts.“