Eine Ausstellung im Foyer der Klinik Christophsbad erhellt die antike Vorstellung der Psyche. Die Philosophen der Stoa etwa stellten sich die Seele als einen Oktopus vor, dessen Arme in jeden Bereich des Körpers reichen.

Göppingen - Sosehr die großformatigen Grafiken auch ins Auge stechen, die Ausstellung „Die Seele ist ein Oktopus“ im Foyer der Göppinger Klinik Christophsbad will erobert werden. Wer sich aber Zeit nimmt, die zu den Illustrationen gehörenden Texte zu lesen, dem öffnet sich ein Kosmos der antiken Vorstellungswelt über den Körper und die Seele. Und manche Erkenntnis, die heute noch Gültigkeit hat, wurzelt in der Epoche, die heute unter dem Begriff der Antike subsumiert ist.

 

Die Ausstellung, die vom Medizinhistorischen Museum der Charité, dem Exzellenzcluster Topoi und der Humboldt-Universität, alle Berlin, konzipiert wurde, hat bereits in der Bundeshauptstadt und in Ingolstadt Station gemacht. In Göppingen ist sie noch bis zum 15. Juli zu sehen. Auf den Tafeln, die der Grafiker Christoph Geiger in Zusammenarbeit mit den Ausstellungsmachern, in erster Linie Philologen, gestaltet hat, ist ein immenses Wissen über das Altertum konzentriert und auch für den Laien erhellend aufbereitet.

Hauchartiger Leib im materiellen Körper

Das Nachdenken über den Zusammenhang von Seele und Körper ist keine Erscheinung der Moderne, das zeigt die Ausstellung eindrücklich. Schon in der Antike, also vor rund 2000 Jahren, versuchten Ärzte und Philosophen zu ergründen, was den Menschen ausmacht, was ihn antreibt, ihn gesund erhält oder auch krank macht. Die Seele verstanden sie als Lebenskraft, die den Körper belebt und in diesem auch lokalisiert werden kann. Die Stoiker etwa waren der Auffassung, die Seele sei ein Oktopus, dessen Arme jeden Bereich des Körpers erreichen, daher auch der Titel der Schau.

Es gab auch andere Vorstellungen. Manche verorteten die Seele im Gehirn, andere im Herzen oder auch im Magen. Interessant: Ausgerechnet der Denker Aristoteles (384–322 v. Chr.) erachtete die Rolle des Gehirns als eher unbedeutend. Er glaubte, es diene lediglich zur Kühlung des Herzens. Auch die Idee, dass die Seele nach dem Tod weiterlebt, gab es schon im Altertum. Die Kuratorin der Ausstellung, die Berliner Kunsthistorikerin Uta Kornmeier, die auch den Katalog zu der Ausstellung herausgegeben hat, erläuterte bei einer Führung im Christophsbad, dass Homer um 850 v. Chr. die „psyche“ als einen „hauchartigen Leib im materiellen Körper“ beschrieb, die nach dem Tod als Traumbild in der Unterwelt weiterexistiere. Sie präsentierte ein Foto eines antiken Gefäßes, das schwebende Seelenmännchen zeigt, die den Fährmann Charon in die Unterwelt begleiten.

Die Grundlagen der modernen Medizin

Beim bloßen Nachdenken und Spekulieren blieb es nicht. Die Ärzte und Philosophen begaben sich damals schon im Körper auf Spurensuche. Sie sezierten Tiere, bevorzugt Affen, Bären und Schweine, und erwarben sich so Kenntnisse der Anatomie. Oft wurden die Tiere bei lebendigem Leib aufgeschnitten, wie Kornmeier erläuterte. Auf diese Weise hätten die Menschen bereits 300 vor Christus die Nerven entdeckt. In dieser Zeit habe der König von Alexandrien verurteilte Gefangene der Forschung zur Verfügung gestellt. An diesen Menschen seien Vivisektionen durchgeführt worden, sagte Kornmeier und stellte klar: „Das ist die Grundlage der modernen Medizin.“ In den Zeiten vorher oder nachher sei das Sezieren von Menschen tabu gewesen.

Spannend ist auch das Kapitel über die Fortpflanzung. Da sich der Körper abnutze, die Seele aber ewig leben wolle, müsse sie sich von Zeit zu Zeit ein „neues Gehäuse“ bauen. Wie das geschieht, davon gab es ganz verschiedene Vorstellungen. Der Philosoph Anaxagoras (um 499 v. Chr.) dachte, dass der männliche Same ein winziges, aber vollständig ausgebildetes Menschlein sei, das der Mann in den Leib der Frau pflanze. Fiel es auf die rechte Seite der Gebärmutter, wurde es ein Junge. Fiel es dagegen auf die linke Seite, wurde es ein Mädchen, was dann eher – das Patriarchat lässt grüßen - als Unfall interpretiert wurde. Aristoteles etwa dachte, Frauen seien unvollkommene Männer und damit letztlich verzichtbar.