Die Datenbrille von Google wird gerade erst getestet, doch in den USA ist die Kritik bereits entbrannt. Casinobetreiber in Las Vegas sind gar mit einem Trageverbot vorgeprescht.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Stuttgart - C

 

ool, cool, cool“ – das ist der Kommentar der von Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) kolportiert wurde, als es ihm bei einem jüngsten Besuch im kalifornischen Silicon Valley nach einigen Mühen gelang, ein paar „Google Glasses“ für einen persönlichen Testlauf zu bekommen. Zurzeit verschickt Google rund 8000 Exemplare an Testkunden, die 1500 Dollar für ein Exemplar bezahlt haben und die für Ende 2013 oder Anfang 2014 geplante Markteinführung vorbereiten sollen.

Die Brille soll dank ihrer am Bügel montierten Elektronik nicht nur Nachrichten aus dem Internet und Navigationshinweise ins Gesichtsfeld spielen, sondern dank ihrer Video- und Tonaufnahmen theoretisch das ganze Leben ihres Trägers dokumentieren können. Doch schon bevor das erste Exemplar auf dem freien Markt gekauft werden kann, ist in den USA eine hitzige Debatte um die richtige Etikette im Umgang mit dem Gerät und nötige gesetzliche Regulierungen entbrannt. Nach Ansicht von Kritikern hat das High-Tech-Gerät das Potenzial die Privatsphäre noch stärker zu unterminieren, als man es von den inzwischen allgegenwärtigen Kameralinsen und Mikrofonen der Smartphones gewohnt ist. Jeder Blick eines Brillenträgers, so die Befürchtung, könne bedeuten, dass das Gegenüber unbemerkt aufgenommen wird.

Eine Arbeitsgruppe von Republikanern und Demokraten im US-Kongress, die sich mit dem Schutz der Privatsphäre beschäftigt, hat jetzt an Google-Chef Larry Page eine offizielle Anfrage adressiert, um zu erfahren, wie das Unternehmen auf die Bedenken reagieren will.Die Abgeordneten fragen, ob das Gerät mit der entsprechenden Software womöglich Gesichter identifizieren kann und wie Google die gesammelten Daten auszuwerten gedenkt. „Es gibt immer noch eine ganze Reihe von unbeantworteten Fragen“, heißt es in dem Brief. Im Bundesstaat West Virginia ist schon ein Gesetz auf den Weg gebracht worden, das es verbietet, die Brille beim Autofahren aufzusetzen. Und schon bevor das Produkt auf dem Markt ist, gibt es erste Verbote. Ein Café in Seattle hat publicityträchtig den Anfang gemacht.

Präsentation im April 2012

Nun sind auch Casinobetreiber in Las Vegas mit einem Trageverbot für die elektronische Brille vorgeprescht. „Wir werden es nicht erlauben, dass Leute diese Brille beim Glücksspiel oder während unserer Shows tragen“, sagte ein Sprecher von Caesars Entertainment. Obwohl Google seit der ersten öffentlichen Präsentation des Geräts im April 2012 solche Sorgen zu zerstreuen versucht hat, könnte eine solche Gegenkampagne für ein Gerät das die wenigstens Menschen bisher gesehen haben vor dem Marktstart zum Problem werden. Während Smartphones in der Tasche verschwinden können, ist das Gerät, das weithin sichtbar im Gesicht seiner Träger hängt, ein unübersehbares Statement. Wenn es nicht als cool, sondern als seltsam und nicht sozial adäquat abgestempelt gilt, dann ist das nicht gut für die Verkaufszahlen „Dies ist erst der Anfang“, sagte Timothy Toohey ein Anwalt aus Los Angeles, der sich mit Fragen der Privatsphäre beschäftigt der „New York Times“.

Die ersten Träger der Brille haben sich in den USA bereits zum Gespött gemacht. Unter der Überschrift „Weiße Männer tragen die Googlebrille“ offeriert der Blogdienst Tumblr eine Bildergalerie mit unvorteilhaften Motiven, die im Netz zu finden sind. Die Fotos stammen von den in der Tat überwiegend weißen und männlichen Testnutzern selbst. Der zur Schau gestellte Stolz über das neue technische Spielzeug wirkt oft recht lächerlich. Das spöttisch formulierte Motto auf der Seite: „Die Sache hat doch auch ihr Gutes: Wenn es Google Glass nicht gäbe, dann würden all diese Kerle aus Silicon Valley Affären haben oder sich unpassende Motorräder kaufen.“

Die US-Beratungsfirma Piper Jaffrey glaubt dennoch, dass in der Datenbrille und den von Google ebenfalls entwickelten fahrerlosen Autos langfristig ein Marktpotenzial bis zu 500 Milliarden Dollar stecken könnte. Schon für die ersten drei Jahre sagt das Marktforschungsunternehmen IHS einen potenziellen Markt von 6,6 Millionen Käufern voraus. Doch das gilt nur unter der Voraussetzung, dass das Gerät so akzeptiert wird wie ein Smartphone.

Es hat schon Missbrauch gegeben

Auf einer Diskussionsveranstaltung der Harvard Universität räumte Vorstandschef Eric Schmidt nun ein, dass Google darauf achten müsse, wie seine Datenbrille verwendet wird. „Die Sache ist so neu, dass wir uns entschieden haben, da noch vorsichtiger heranzugehen“, sagte Schmidt. Auf der Entwicklerkonferenz I/O präsentierte Google die Neuentwicklung in diesem Jahr ziemlich zurückhaltend. Das Unternehmen will unter keinen Umständen zulassen, dass die Datenbrille etwa von externen Programmentwicklern mit einer Software zur Gesichtserkennung versehen wird. Ersten Missbrauch hat es bereits gegeben. Um sein Gegenüber filmen zu können, soll ein Nutzer entweder einen hörbaren mündlichen Befehl geben oder das Gerät durch Gesten aktivieren. Doch eine Softwarefirma hat das bereits so umprogrammiert, dass für den Startbefehl ein diskreter Wimpernschlag genügt.

Die Abwehrreflexe schon vor der Markteinführung seien problematisch, sagte Schmidt: „Casinos in Las Vegas haben sie schon verboten – dabei haben sie das Ding noch gar nicht gesehen. Ich mache mir immer Sorgen, wenn voreilige Regulierungen auf Ängsten gründen, anstatt dass man erst einmal versteht, was real möglich ist.“