Bei Grabungen entdeckte Keramikscherben deuten auf die Existenz eines ehemaligen Bürgerhauses hin. Der Baubeginn für das geplante Wohngebiet im Ortszentrum von Reichenbach verzögert sich durch die Arbeit der Archäologen indes nicht.

Reichenbach - Auf dem Areal des „Wilhelmsquartiers“ in Reichenbach wird zurzeit fleißig gebuddelt und gebaggert. Doch geht es bisher noch nicht darum, das rund 3500 Quadratmeter große Areal im Ortszentrum für den Bau von etwa 50 Wohneinheiten vorzubereiten. Nein, weit filigraner wird dort aktuell gearbeitet, denn Archäologen sind auf Relikte des Hoch- und späten Mittelalters sowie der frühen Neuzeit gestoßen. Mit einer sogenannten Rettungsgrabung sollen die Funde gesichtet und gesichert werden.

 

Brunnenschacht mit Keramikabfall verfüllt

„Das ist auch für mich spannend, was da gefunden wird“, sagt der Reichenbacher Bürgermeister Bernhard Richter. Er hoffe, dass die Grabungen der vom Investor beauftragten Tübinger Firma fodilus weiteren Aufschluss über die Geschichte seiner Kommune geben. Etwa jene Mauerreste, „von denen wir noch nicht wissen, was es ist“, sagt der Archäologe Sascha Schmidt, gleichzeitig der Geschäftsführer von fodilus. Er gehe davon aus, dass es sich um ehemalige Schuppen oder Werksgebäude handele. Weit interessanter sei der Fund schöner, grün lasierter Keramikscherben, die einstmals offensichtlich zum Verfüllen eines alten Brunnenschachtes verwendet worden seien.

Dabei könne es sich um die schön verzierten Kacheln – „die sind zugegebenermaßen hübsch anzuschauen“ – eines Ofens handeln, der früher möglicherweise die eher wohlhabenden Bewohner eines Bürgerhauses im Ortszentrum von Reichenbachs gewärmt haben könnte. Die Reste dieses Gebäudes seien noch nicht gefunden worden, aber er gehe davon aus, dass es sich in der näheren Umgebung befunden haben müsse. Schließlich seien die Keramikabfälle zum Aufschütten des Brunnenschachts seinerzeit sicherlich nicht allzu weit transportiert worden.

Interessante Funde dank Innenverdichtung

Ansonsten stoße man bei solchen Ausgrabungen meist zu „80 bis 90 Prozent“ auf Scherben – Abfallmaterial, das schon im Mittelalter von den Menschen weggeworfen worden sei. Nur mit Glück fänden Archäologen Dinge „die damals jemand verloren hat, etwas, das er nicht wegwerfen wollte“.

Durch die Innen- und Nachverdichtung kommunaler Flächen kämen immer wieder interessante Funde zutage, obwohl es sich um abgeschlossene, oftmals zuvor schon archäologisch untersuchte Baugebiete handle. Doch beim Bau von Tiefgaragen stoße man eben in tiefere Schichten vor, in denen sich so manche für Archäologen interessanten Dinge verbergen. Da in Zeiten knapper Wohnressourcen immer mehr auf die Erschließung solcher in den Ortskernen befindlicher oder durch den Abriss alter Häuser entstehender Baulücken gesetzt werde, seien Firmen wie fodilus zurzeit „auftragsmäßig gut aufgestellt“, sagt Sascha Schmidt.

Der Reichenbacher Rathauschef Bernhard Richter berichtet, auch das Wilhelmsquartier sei mit alten, herunter gekommenen Häusern bebaut gewesen. Diese habe die Gemeinde in den vergangenen 20 Jahren nach und nach gekauft, um jetzt dieses mitten im Ort gelegene Gebiet entwickeln und umsetzen zu können. Durch die Rettungsgrabung sei es bis jetzt noch zu keiner Zeitverzögerung bezüglich des Baubeginns gekommen.

Archäologie unter Zeitdruck

Rettungsgrabung
Eine Rettungsgrabung wird auch Notgrabung genannt. Damit sollen vor dem Beginn von unmittelbar bevorstehenden Baumaßnahmen archäologische Funde gesichtet und gesichert werden. Diese durch die anstehenden Arbeiten gefährdeten oder bereits beschädigten Exponate werden durch Rettungsgrabungen unter Zeitdruck bestmöglich geborgen und dokumentiert. Dabei ist der Denkmalschutz gegenüber der Baugenehmigung das höherrangige Recht.

Kosten
Stößt man auf einem Gelände, das von einem gewerblichen Investor bebaut wird, auf historisch möglicherweise bedeutsame Funde, muss der Investor eine Grabungsfirma beauftragen und diese auch bezahlen. Die Anforderungen an Grabungsfirmen bestimmt das Landesamt für Denkmalpflege. Bei Privatpersonen springt in Baden-Württemberg das Land mit einer eigenen Grabungsmannschaft ein und übernimmt dafür auch die Kosten.