Nicht selten werden Trafohäuschen für unerwünschte Graffiti genutzt. Damit das nicht passiert, reagieren die Betreiber mit eigenen Graffiti. Eines dieser farbigen Häuschen steht in Stuttgart-Vaihingen.

Vaihingen - Quizfrage: Wo wandelt man 10 000 Volt in 400 um? Richtig, in diesen kleinen „Stromhäuschen“, die überall in Stuttgart aufgebaut sind. So können wir die Elektrizität, die von den Anbietern erzeugt wird, für Haushaltsgeräte und Co. nutzen. Seit 2016 hat der Betreiber Stuttgart Netze GmbH über 1000 Stück dieser grauen Umspannstationen in Stuttgart installiert. Funktional sind sie allemal, diese Häuschen, nur geben sie nicht wirklich ein schönes Bild ab. Also muss Farbe her.

 

Wie findet man die passenden Künstler?

Seit 2017 lassen wir jedes Jahr Graffiti-Künstler aus Stuttgart ausgewählte Trafostationen besprühen“, berichtet Moritz Oehl, Pressesprecher der Stuttgart Netze. Dieses Jahr sollen neben der Umspannstation an der Herrenberger Straße 38/1 noch fünf weitere einen Farbstich bekommen. Doch wie findet man qualifiziertes Personal für so ein Vorhaben? Schließlich möchten es der Auftraggeber, das Stadtplanungsamt und die jeweiligen Bezirksbeiräte bunt und mit Bezug zum Viertel haben. „Wir kooperieren von Anbeginn der Aktion mit Florian Schupp vom Stadtjugendring. Er vermittelt uns dort als Graffiti-Beauftragter immer klasse Künstler – jeder mit seinem ganz eigenen Stil“, sagt Oehl. Die jüngsten Kunstwerke in Stuttgart-Vaihingen wurden von den beiden Sprayern Steffen Matuschowitz und Lucas Wurmbach geschaffen.

Bunt haben die beiden Kunstschaffenden geliefert. Doch was hat es mit dem Lebkuchenhaus eigentlich auf sich? Anno dazumal habe es in Vaihingen eine Wirtschaft gegeben, die „Zum Lebkuchen“ hieß, überliefert der Pressesprecher. So haben die Künstler auch noch den regionalen Bezug abgedeckt. Außerdem ist es in der Graffiti-Szene verpönt, ein bereits gemaltes Werk zu übersprühen. So läuft man nicht Gefahr, dass die freien Flächen der Trafostationen für unerwünschte Motive oder Parolen herhalten müssen. Ungewöhnlich ist auch die alte Bauweise dieser Umspannstation mit dem Satteldach, was noch einmal mehr an ein Lebkuchenhaus, wie aus dem Märchen „Hänsel und Gretel“ der Gebrüder Grimm, erinnert.

Wo lernt man, mit der Spraydose umzugehen?

Lucas Wurmbach verleiht schon zum zweiten Mal so einem Trafohäuschen einen neuen Anstrich und somit ein neues Gesicht. „Für die Umsetzung haben wir vier Tage gebraucht. Dazu kommt noch die Arbeitszeit für die Entwürfe und Organisation“, sagt er. Wo übt man eigentlich, mit den Spraydosen umzugehen, es ist ja eigentlich illegal, an irgendwelchen Hauswänden Farbe anzubringen? „Tatsächlich habe ich bei mir zuhause im Garten angefangen zu sprühen, aber es gibt auch in Vaihingen und Umgebung Wände, wo man ganz legal üben kann“, erklärt er.

Vor zehn Jahren habe alles angefangen und seitdem werde er immer mal wieder für solche Projekte gebucht. Dennoch wurden die beiden Künstler während ihren Arbeiten von Passanten angesprochen, vermuteten diese wohl, hier Zeugen einer Straftat zu werden. „Nach kurzer Erklärung war die Resonanz aber durchgehend positiv und wir bekamen nur Lob zugesprochen“, sagt Lucas Wurmbach. Auch während der Vorstellung des Kunstwerks blicken neugierige Augen der Pendler von den Bus- und U-Bahn-Stationen hinüber zum Lebkuchenhaus. Zum Anbeißen sieht der rosa Zuckerguss, der vom Dach hinunter läuft, zwar schon aus. Aber auch hier kaschiert das Äußere gut, was im Inneren verborgen ist. Genau wie im Märchen.