Die Künstlerinnengruppe Fuks eröffnet am Sonntag im Alten Schloss in Stuttgart eine interaktive Ausstellung. Dass sie dort überhaupt stattfinden kann, ist etwas Besonderes.

Psychologie/Partnerschaft: Florian Gann (fga)

Stuttgart - Ein Baugerüst wird quietschend herumgeschoben, eine Frau mit Farbspritzern auf den schwarzen Klamotten malt penibel gleichmäßige Streifen auf die Wand. Im Hintergrund hört man immer wieder Hämmern. Das klingt nach einer Baustelle, aber hier entsteht eine Ausstellung – „unsere Wunderkammer“, so nennt es die Künstlerin Kerstin Schaefer. Es ist das letzte Feilen, damit alles bereit ist, wenn am Sonntag mit Underground-Jazz und Drinks die Ausstellung der Künstlerinnengruppe Fuks im Alten Schloss eröffnet wird. Und dass die Ausstellung hier überhaupt stattfinden kann, ist außergewöhnlich.

 

Die Geschichte des Alten Schlosses geht bis tief ins Mittelalter zurück. Auch damals gab es Künstler am Hofe, und sie mussten sich damit abfinden, sich dem Willen ihrer Hofherren zu unterwerfen. Eine freie Kunst, die aufbegehrt, daran war wohl nicht zu denken. Nun soll ausgerechnet das Schloss den Künstlern eine Freiheit geben, die sie sonst durch Platznot und hohe Mieten in Stuttgart nicht haben.

Genug Platz für Alle

Wenige Tage, bevor es losgeht, wuseln die Künstlerinnen von Fuks durch den geräumigen, fensterlosen Ausstellungsraum im Alten Schloss. Zwischen den schwarzen Wänden arbeiten sie intensiv, aber ohne Hektik an ihren Werken.

Karima Klasen malt etwa vier Meter hohe senkrechte Streifen auf eine riesige Wandfläche, in der Mitte gebrochen durch eine kleine Schräge. Steht man direkt davor, soll ein illusorischer Eindruck entstehen. Christa Munkert drapiert ihre Bilder in knalligen Farben an die Wand, die Bilder will sie im Zuge der Ausstellung neu arrangieren. In der Mitte des Raumes wird der Besucher durch zwei Leinwände in einen fast leeren Raum geholt, in dem Flüchtlinge warten und sich unterhalten. Man wird Zeuge eines sozialen Experiments. Ein paar Meter weiter sucht Barbara Armbruster noch nach der richtigen Ausrichtung für ihre Ornamente, die die beiden Welten verbinden sollen, in denen sie gelebt hat: den Orient und den Okzident, Kairo und Stuttgart. Und dann ist da noch Kerstin Schaefer. Sie stellt rund um ihre Bilder 90 Spiegel auf, die sie stille Beobachter nennt. Für all das ist genug Platz.

Ideen sind da, der Raum dafür nicht

Der Raum, in dem die Ausstellung im Alten Schloss stattfindet, ist auf den ersten Blick nichts Besonderes: Er sieht aus wie eine überdimensionale schwarze Schuhschachtel. Für die Künstlerinnen bedeutet er aber die Welt. 600 Quadratmeter zur freien Verfügung, auf denen sie bis Ende März ausstellen und arbeiten können. Der Austausch mit den Besuchern soll direkt in die Werke mit einfließen. Auch Gastkünstler sind willkommen – um Performances zu machen oder einfach nur den Raum zu nutzen und etwa an einem Roman zu schreiben. Weder Künstler noch Besucher müssen etwas dafür bezahlen.

Nach so etwas würden sie schon seit zehn Jahren suchen, sagt Kerstin Schaefer. Kunst braucht Platz, und Platz ist Mangelware in Stuttgart. Das Kollektiv Fuks hätte ein Konzept für einen Begegnungsort in der Schublade, eine Mischung aus Schulungsräumen, Café und Atelier, das einen Platz für etablierte Künstler und Freizeitkünstler bieten soll. „Das könnten wir sofort starten“, sagt Schaefer. Bloß, es fehle der Raum dafür.

Das Schloss wurde zum Künstler-Hort

Ein wenig löst das Landesmuseum die Platznot der Kulturszene, wenn auch nur vorübergehend. Sie habe von Bekannten von der Platznot der freien Szene gehört, sagt Isabel Schwab als Projektkoordinatorin des Landesmuseums. Mit ihrem Team habe sie dann die Idee entwickelt, Kulturschaffenden den Raum für Sonderausstellung im Alten Schloss übernehmen zu lassen. 35 Bewerbungen hat es gegeben, sechs verschiedene Partner bekamen für die Zeit von August 2019 bis Juni 2020 den Zuschlag. Wenn die Fuks-Künstlerinnen den Raum am Sonntag eröffnen, wird quasi Bergfest gefeiert – die zweite Hälfte der Kooperationen beginnt.

Der Kunstmarkt sei kein einfacher, er funktioniere nach eigenen Gesetzen, sagt Schaefer. „Diese Gesetze dürfen mich beim Malen aber nicht tangieren“, sagt die Stuttgarterin. Viele Künstler würden den wichtigen Leuten der Branche nach dem Mund reden, sagt auch ihre Fuks-Kollegin Christa Munkert. Sie will sich nach dem richten, was sie für richtig hält. In ihrem Quartier im Alten Schloss muss sie das auch – zumindest fünf Wochen lang – nicht tun.