Das Martyrium beginnt in der Dunkelheit auf einem Autobahnparkplatz. Sechs Tage später wird die Leiche eines Mannes im Wald gefunden. War es Mord?

Dessau-Roßlau - Rund fünf Jahre nach dem qualvollen Tod eines 39 Jahre alten Informatikers aus München an der Autobahn 9 wird am Donnerstag mit Spannung ein neues Urteil erwartet. Angeklagt sind vor dem Landgericht Dessau-Roßlau in Sachsen-Anhalt vier Männer. Sie sollen das Opfer überfallen, in der Dunkelheit in ein Waldstück im Landkreis Wittenberg verschleppt und über eine lange Zeit misshandelt - um an Geldkarten und die Geheimnummern dafür zu kommen.

 

Laut Obduktion wurde der 39-Jährige mit Schlägen und Sprüngen so schwer verletzt, dass er im Verlauf von 24 Stunden an einer Fettembolie der Lunge starb. Gefesselt mit Klebeband wurde die Leiche des Mannes sechs Tage nach dem Überfall auf dem Parkplatz - am 15. Januar 2012 - in dem Waldstück entdeckt.

Auf die Spur der Angeklagten kamen die Ermittler über das Konto des Opfers. Nach der Tat waren sie an Bankautomaten von Überwachungskameras gefilmt worden. Sie kauften für 4000 Euro Turnschuhe und 75 Pakete Kaffee und waren auf dem Weg in ihre Heimat.

Die Angeklagten sind heute 26, 28, 36 und 38 Jahre alt, wie ein Gerichtssprecher mitteilte. Die Staatsanwaltschaft hat für zwei Angeklagte Haftstrafen von jeweils elf Jahren und zwei Monaten, für den mutmaßlichen Hauptangeklagten (28) zwölfeinhalb Jahre Gefängnis gefordert.

Für den 26-Jährigen wurde auf eine Jugendstrafe von drei Jahren und neun Monaten plädiert. Er sei zur Tatzeit noch kein Erwachsener im Sinne des Strafrechts gewesen, hieß es zur Begründung. Der Prozess hatte am 6. Mai 2016 begonnen. Alle Angeklagten haben eine persönliche Verantwortlichkeit für den Tod des 39-Jährigen in Abrede gestellt, wie der Gerichtssprecher sagte.

Das Verbrechen hatte viele entsetzt

Das Verbrechen hatte viele entsetzt. Nach Erkenntnissen der Ermittler war der Informatiker mit einem Umzugstransporter in Bayern aufgebrochen, um zu seinen Eltern in die Nähe von Hamburg zu fahren. Dort wollte er seine Sachen unterstellen, um für längere Zeit nach Asien zu gehen. Auf der Fahrt in Richtung Norden hielt er am Abend des 9. Januar 2012 an der Autobahn 9 in Sachsen-Anhalt auf einem Parkplatz an. Als er von der Toilette kam, traf er laut Anklage auf seine Peiniger.

Die Staatsanwaltschaft sei nach dem Ende der Beweisaufnahme in dem Prozess zu der Überzeugung gelangt, dass sich alle vier Angeklagten des versuchten Totschlags schuldig gemacht haben, sagte der Gerichtssprecher. Außerdem fordere die Anklage in ihren Plädoyers eine Verurteilung der Männer wegen erpresserischen Menschenraubs, wegen Raubs, gefährlicher Körperverletzung mit Todesfolge und Computerbetruges. Für die Familie des 39-Jährigen hingegen ist die Tat ein Mord gewesen, sie forderte lebenslange Haftstrafen. Wie wird das Gericht urteilen?

2014 hatte das Landgericht in dem Fall insgesamt fünf Täter zu langen Haftstrafen von bis zu zwölf Jahren und zwei Monaten verurteilt - wegen erpresserischen Menschenraubs und Raubs mit Todesfolge sowie Computerbetrugs. Eine Tötungsabsicht ließ sich damals nach rund 70 Verhandlungstagen nicht beweisen. Ursprünglich hatte die Strafkammer das Verfahren im Januar 2013 wegen Mordes aus Habgier eröffnet, dieser Vorwurf hatte sich aber nicht belegen lassen.

Nach der Revisionen von Nebenklage und Verteidigung gegen das Urteil von 2014 hatte der Bundesgerichtshof (BGH/Karlsruhe) den Dessauer Richterspruch im Januar 2016 aufgehoben. Nur im Fall eines Angeklagten, der nicht am Gewaltexzess beteiligt gewesen sein soll, wurde es rechtskräftig. Der erneute Prozess gegen die nunmehr vier Angeklagten wurde vor einer anderen Strafkammer verhandelt.