Die EU beschließt auf einem Gipfel in Brüssel die Verschärfung der Asyl- und Migrationspolitik – und überschreitet dabei selbst gezogene rote Linien. Von EU-finanzierten Zäunen ist zwar nicht die Rede, aber von „Infrastruktur“ an den Grenzen.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

In der Migrationspolitik überschreitet die Europäische Union die selbst gezogenen roten Linien. Beim EU-Gipfeltreffen in Brüssel haben sich die Staats- und Regierungschefs nach schwierigen Verhandlungen auf den Ausbau des Grenzschutzes geeinigt. In der Abschlusserklärung wird die EU-Finanzierung von Zäunen nicht genannt. Es heißt lediglich, dass EU-Mittel unter anderem für „Infrastruktur“ an den Grenzen mobilisiert werden sollten. Zur Verschärfung der gemeinsamen Asyl- und Migrationspolitik gehören auch schnellere Abschiebungen und der verstärkte Kampf gegen Menschenschmuggler.

 

Pilotprojekt an der Grenze zwischen Bulgarien und der Türkei

Die EU-Kommission hat sich über Jahre dagegen gewehrt, dass Grenzzäune aus dem Budget der Union finanziert werden. Nach Angaben von Kommissionschefin Ursula von der Leyen (CDU) soll es nun zwei Pilotprojekte geben. Eines sehe vor, die Grenze zwischen dem EU-Land Bulgarien und der Türkei etwa mit Fahrzeugen, Kameras, Straßen und Wachtürmen zu sichern. Diese sollten aus EU-Mitteln, dem bulgarischen Haushalt und Beiträgen der EU-Staaten finanziert werden. Bei dem zweiten Projekt soll es von der Leyen zufolge um die Registrierung von Migranten, ein schnelles Asylverfahren sowie um Rückführungen an der Außengrenze gehen.

Auf der Gipfel-Tagesordnung stand das Thema deshalb, weil die Zahl der Asylanträge 2022 im Vergleich zum Vorjahr um fast 50 Prozent auf 924 000 gestiegen ist. Hinzu kamen rund vier Millionen Flüchtlinge aus der Ukraine, die nicht Asyl beantragen müssen. In den vergangenen Jahren wurde in der Asyl- und Migrationspolitik vor allem über die Frage gestritten, ob und wie Schutzsuchende auf die Staaten der Europäischen Union verteilt werden können. Länder wie Ungarn, Polen und Österreich lehnten derlei Quoten kategorisch ab. Der EU-Gipfel in Brüssel hat nun gezeigt, dass sich die EU-Staaten inzwischen eher auf Themen wie einen stärkeren Außengrenzschutz konzentrieren, bei denen es mehr Gemeinsamkeiten gibt.

Vor dem Ende des EU-Gipfels hatte der Luxemburger Regierungschef Xavier Bettel noch betont: „Es wäre eine Schande, wenn eine Mauer in Europa gebaut würde mit den europäischen Sternen drauf.“ Neue Mauern würden Europa zu einer „Festung“ machen. Allerdings wird von Ländern wie Griechenland, Ungarn oder auch Österreich ein besserer Schutz der Grenzen gefordert. Nach dem Ende des Treffens in Brüssel sehen sie sich als Sieger. Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer äußerte sich zufrieden: „Wir haben eingefordert, dass die Asylbremse europaweit angezogen wird, und das hat dieser Gipfel auch tatsächlich gebracht.“

Druck auf Länder, die bei abgelehnten Asylbewerbern nicht kooperieren

Einig sind sich die EU-Staaten darin, dass mehr Druck auf Länder gemacht werden sollte, die bei der Rücknahme abgelehnter Asylbewerber nicht kooperieren – etwa durch eine verschärfte Visa-Politik, die Handelspolitik und die Entwicklungshilfe. Ziel ist, dass mehr Menschen ohne Bleiberecht die EU verlassen und so die teils stark überlasteten Asylsysteme entlastet werden. Zugleich sollen aber auch Möglichkeiten für legale Migration geschaffen werden.