Als Landeschef hat er die CDU nach dem Machtverlust geeint und modernisiert. Nun will Thomas Strobl auch die Früchte seiner Mühe ernten – als Spitzenkandidat bei der Landtagswahl 2016 . Schon stichelt er gegen seinen Rivalen Guido Wolf.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Die kuriose Szene liegt schon ein paar Monate zurück. Droben auf der Bühne plauderte Thomas Strobl bei einer Veranstaltung mit anderen Teilnehmern. Drunten im Saal wollte ein Fotograf, dass der CDU-Landeschef einmal in seine Kamera schaue. Also ließ er sich etwas einfallen – und rief laut „Herr Ministerpräsident!“ Unwillkürlich wandte Strobl den Kopf in Richtung des Rufers, der sich mit dem Publikum über seinen kleinen Coup freute: Na bitte, er reagiere ja schon.

 

Nicht, dass sich Thomas Strobl bereits als Ministerpräsident sähe; es war wohl eher ein Reflex, dass er sich angesprochen fühlte. Doch seit Montagabend ist es offiziell, dass der 54-jährige Bundestagsabgeordnete aus Heilbronn genau das werden will: Regierungschef in Baden-Württemberg als Nachfolger des Grünen Winfried Kretschmann. Die Macht, die die CDU 2011 unter Stefan Mappus (mit ihm als Generalsekretär) verlor, will Strobl 2016 als Spitzenkandidat zurückerobern – wenn ihm denn die Basis den Auftrag dazu erteilt.

„Die CDU von 2014 ist nicht mehr die alte“

Monatelang hatte er zu seinen Ambitionen geschwiegen, die erstmals bei einer CDU-Klausur zu Jahresbeginn deutlich geworden waren. Erst seien Kommunal- und Europawahlen zu bestehen, hieß die Parole, dann könne man sich der offenen Personalie zuwenden. Auch bei der Sitzung von Präsidium und Landesvorstand am Montagabend machte es der Parteichef spannend: Erst ganz zum Schluss gab er bekannt, dass er sich der Mitgliederbefragung zur Spitzenkandidatur stellen werde. Damit gibt es nun zwei Bewerber, über die die Partei Ende dieses oder Anfang nächsten Jahres abstimmen darf: Strobl und den Landtagspräsidenten Guido Wolf (52), der bereits Anfang April ins Rennen gegangen ist. Er freue sich auf eine faire Auseinandersetzung, soll Wolf laut Teilnehmern auf die Ankündigung reagiert haben.

Am Dienstagvormittag präsentierte sich der Spitzenkandidatenkandidat dann auch der Öffentlichkeit. Vor zahlreichen Fernsehkameras, Fotografen und Reportern begründete er seine Kandidatur als die nachgerade logische Konsequenz seines Engagements als CDU-Chef seit 2011. Damals, nach der Abwahl von Mappus, habe es düster ausgesehen für die Partei. Sie werde „in tausend Scherben zerspringen“, sich zerfleischen und auseinanderfallen, sei ihr prophezeit worden. Er habe seinerzeit den Vorsitz übernommen, um eines Tages „die Regierungsverantwortung wieder in die Hände der CDU zu legen“, sagte Strobl. Nun, da sich die Partei gewandelt und erneuert habe, wolle er auch als Spitzenkandidat auf dieses Ziel hinarbeiten. Die CDU von 2014 sei eine andere als jene von 2011, „offener, diskussionsfreudiger“. Und das sieht der Vorsitzende erkennbar als sein Verdienst an, für das er jetzt gewissermaßen den Lohn einfordert.

Aufstieg im Bund vom Schwiegervater verbaut

Dabei galt die Landespolitik bisher nicht als Domäne Strobls. Sein Spielfeld war die Bundespolitik, wo er als baden-württembergischer Landesgruppenchef und zuletzt Vizevorsitzender der Bundes-CDU reüssierte. Sein weiterer Aufstieg schien freilich verbaut, solange sein Schwiegervater Wolfgang Schäuble dem Kabinett angehört. Daneben pflegte er in seiner Heimatstadt Heilbronn seine kommunalpolitischen Wurzeln; gerade wurde er wieder als Stimmenkönig in den Gemeinderat gewählt. Was ihn denn für das Amt des Ministerpräsidenten prädestiniere – diese Frage beantwortete Strobl mit dem Hinweis auf seine Erfahrungen auf verschiedenen politischen Ebenen. Es sei sicher „kein Nachteil“, wenn der künftige Regierungschef „etwas von Interessenvertretung im Bund“ verstehe – was unter Grün-Rot bekanntlich zu kurz komme.

Baden-Württemberg von Kretschmann, Nils Schmid & Co zu befreien – das ist die Mission, die Strobl antreibt. Unter ihrer Ägide lebe das Land von der Substanz, er werde es wieder zurück an die Spitze führen. Beispiel Bildungspolitik: bei einer Fortsetzung der Koalition würden „irreparable Fakten“ geschaffen. Er werde „das Rad nicht vollständig zurückdrehen“, aber bei den schlimmsten Auswüchsen gegensteuern. Beispiel Polizei: da habe die Regierung mit ihrer Reform „ein Chaos angerichtet“; kein Wunder, dass die Aufklärungszahlen sänken und die Einbrüche zunehmen. Beispiel digitaler Wandel: während Bayern dafür jährlich 500 Millionen Euro bereitstelle, sei es im Südwesten nicht einmal ein Zehntel davon.

„Er schreibt Gedichte, schöne Gedichte“

Vor dem Wahlkampf gegen Rot-Grün muss Strobl freilich erst einmal die interne Konkurrenz gewinnen. Was er von seinem Rivalen Wolf hält? Der komme aus der Verwaltung und führe als Parlamentschef einen „großen Apparat“, die in Wahrheit überschaubare Landtagsverwaltung. Außerdem: „Er schreibt auch Gedichte, schöne Gedichte, dieses Talent geht mir ab.“ Erst nach diesen Sätzen wurde Strobl offenbar bewusst, dass er den Tuttlinger Ex-Landrat soeben als Leichgewicht charakterisiert hatte. „Sie werden über Herrn Wolf von mir nichts Schlechtes hören“, schob er nach, „heute und in Zukunft nicht“. Dass er eine Kampfabstimmung fair und ohne Verwundungen führen könne, habe sich ja bei der Konkurrenz mit Winfried Mack um den CDU-Vorsitz gezeigt.

Den Zeitplan für die Mitgliederentscheidung will die Landespartei übrigens erst bei der nächsten Vorstandssitzung Mitte Juni bestimmen, wie die dafür zuständige Generalsekretärin Katrin Schütz sagte. Dabei geht es nicht nur um Termine – Ende dieses oder Anfang nächsten Jahres –, sondern auch um Startvorteile: Wolfs Bekanntheitsgrad ist ausweislich einer SWR-Umfrage deutlich geringer als der Strobls. Je später gewählt wird, umso eher kann er aufholen – bei einem frühen Basisvotum könnte umgekehrt eher Strobl profitieren. Man sieht: ab sofort ist das Duell eröffnet.