Tesat bittet die Stadt Backnang um Hilfe bei den Gesprächen mit der Vermieterin, der Firma Riva. Beobachter bezweifeln indes, ob die Kommune als Moderator geeignet ist – sie liegt nämlich im Clich mit Riva.

Rems-Murr/ Ludwigsburg: Martin Tschepe (art)

Backnang - Die Firma Tesat Spacecom, mit rund 1100 Beschäftigten der größte Arbeitgeber in Backnang, ist in der Bredouille. Das Unternehmen will weiter wachsen, benötigt aber Sicherheit – die zurzeit nicht gegeben ist. Denn die Mietverträge für mehrere Gebäude, die Tesat nutzt, sind befristet. Tesat habe zwar die Option, die Verträge bis maximal 2025 zu verlängern, erklärte der Geschäftsführer Marc Steckling jetzt im Backnanger Gemeinderat. Doch das Unternehmen benötige Sicherheit weit darüber hinaus, für weitere 20, besser 30 Jahre.

 

Das sind die Pläne des Vermieters

Die Vermieterin der Immobilien mitten in der Stadt ist die Firmengruppe Riva, der ein großer Teil des gesamten Areals Backnang-West gehört. Riva plant – wie mehrfach berichtet – auf dem sogenannten Kaelble-Areal den Bau eines komplett neuen Stadtquartiers mit einer Mehrzweckhalle, einem Museum, einer Hochschule, einem Hotel, einem Parkhaus, mit Büros und Wohnungen. Diese hoch fliegenden Pläne sind in Backnang höchst umstritten. Auf den Riva-Unterlagen ist auch ein Grundstück bebaut, das derzeit noch Tesat gehört und bis dato als Parkplatz für die Mitarbeiter genutzt wird. Weitere ebenerdige Parkplätze hat Tesat wiederum von Riva angemietet. Die beiden Firmen sind also aufeinander angewiesen, sie müssen sich einigen.

Hilferuf des größten Arbeitgebers

Marc Steckling erklärte unmittelbar im Anschluss an die Gemeinderatssitzung auf Anfrage, dass er sich erhoffe, die Stadtverwaltung könne die Gespräche mit Riva moderieren. Er habe den Backnanger Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU) um den Auftritt im Stadtparlament gebeten, um die Kommunalpolitiker daran zu erinnern: „Uns gibt es auch!“

So viel Jahresumsatz macht Tesat

Tesat, beziehungsweise deren Vorgängerfirmen, arbeiteten seit Jahrzehnten in Backnang, so Steckling in seinem Vortrag im Gemeinderat. Er bezeichnete die Mitarbeiter als „die Kronjuwelen“ des Unternehmens. Auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten habe das Unternehmen alle Mitarbeiter halten können. Man gebe jährlich rund 25 Millionen Euro für die Forschung aus. Der Jahresumsatz des Unternehmens, das Systeme und Geräte für die Telekommunikation via Satellit entwickelt und produziert, betrage rund 300 Millionen Euro.

Es gibt diese zwei Optionen

Für die Zukunft in Backnang gebe es zwei Optionen, so Steckling. Tesat würde die Flächen gerne langfristig von Riva mieten oder eventuell auch erwerben. Die Alternative wäre ein Rückzug „auf die eigenen Flächen“, sprich Neubauten, die von der Stadt aber genehmigt werden müssten. Die Entscheidung, wie es weitergeht, so der Geschäftsführer, müsse spätestens im dritten Quartal 2019 fallen.

Alle Stadträte, die sich zu Wort meldeten, erklärten, dass sie alles in ihrer Macht stehende tun wollten, damit sich Tesat in Backnang weiterentwickeln kann. Und auch die Firma Telent, deren Geschäftsführer Hans-Peter Fischer ebenfalls im Gemeinderat auftrat, bekam signalisiert: Die Stadt wolle dem Unternehmen helfen, geeignete Büroräume zu finden.

So heftig kritisiert Riva die Stadt

Der Riva-Firmenchef Hermann Püttmer war als Zuschauer im Gemeinderat. Er wollte sich nach der Sitzung auf Anfrage aber nicht zum Stand der Verhandlungen mit Tesat äußern, erklärte dem Leiter des Stadtplanungsamts, Tobias Großmann, lediglich: „Ihr pennt.“ In Backnang würden moderne Büroflächen benötigt, die Riva im neuen Stadtquartier bauen wolle.

Am Freitag erkläte die Riva-Pressestelle auf Anfrage: „Wir sind bereit für kommende Verhandlungen und stehen unterschiedlichen Lösungs- und Kompromissangeboten offen und gesprächsbereit gegenüber. Es wäre dem Unternehmen Tesat gegenüber unfair, zu diesem Zeitpunkt Vorgaben festzulegen.“

Das Verhältnis der Stadtverwaltung zu Riva ist bekanntlich angespannt. Püttmer hatte im Sommer dieses Jahres in der „Backnanger Kreiszeitung“ eine Todesanzeige geschaltet, Überschrift: „Tod einer Vision“. Das ambitionierte Großprojekt, das angeblich rund 430 Millionen Euro kosten könnte, sei „erdacht, um Backnang zu bereichern“. Doch nun, hieß es in der Anzeige weiter, werde das Vorhaben „gehüllt in ein Leichentuch aus Rathauspapier“.

Stadt als Moderator geeignet?

Oberbürgermeister Nopper erklärte am Freitag auf Anfrage, Riva habe mittlerweile eingesehen, dass das Großprojekt nicht genauso realisiert werden könne, wie geplant. Ob die Stadt tatsächlich als Moderator für die Gespräche von Tesat und Riva in Frage kommt, das indes bezweifeln Beobachter.