Wie hat es Rembrandt geschafft, bis heute unvergesslich zu sein? Eine Ausstellung im Städel-Museum in Frankfurt zeigt, wie enorm der ehrgeizige und eitle Künstler damals mit seinen Kollegen um Popularität konkurrierte.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Frankfurt - Gut, dass er nicht mehr lebt. Denn man kann sicher sein, dass Rembrandt nichts davon gehalten hätte, was in der Zeitung über ihn geschrieben wird. Kritiker mochte er nicht, was er auf einer Zeichnung unverhohlen zum Ausdruck brachte: Während der Kunstkenner mit Eselsohren über ein Bild referiert, entleert Rembrandt daneben ostentativ seine Gedärme.

 

Andererseits hätte er Lob sicher gern in Empfang genommen. Denn eines war der Maler: ehrgeizig und eitel. Kein Künstler seiner Zeit hat sich selbst so oft porträtiert wie er. Selbstbewusst stellte er sich in Posen dar, die in der Renaissance den Genies und Machthabern vorbehalten gewesen waren. Und weil er auch früh begriff, dass man sich als Künstler zur Marke stilisieren sollte, ließ er seinen Allerwelts-Nachnamen, van Rijn, kurzerhand weg und wurde: Rembrandt.

Rembrandt hat sich gern selbst gemalt

Mit Erfolg, bis heute ist er einer der bekanntesten Künstler der Welt, weshalb das Städel-Museum in Frankfurt ihm nun mit „Nennt mich Rembrandt!“ eine große Sonderausstellung widmet, die erzählt, wie der Maler mit seinen Kollegen wetteiferte. Dabei erwartet der Kurator vom heutigen Publikum allerdings das, was für die Amsterdamer Kunstkenner im 17. Jahrhundert wohl selbstverständlich war.

Denn die Reichen und Neureichen der florierenden Stadt waren mindestens so konkurrenzlustig wie die Maler selbst und liebten es angeblich, deren Werke zu vergleichen. Wer kopierte hier wen? Und wer hat die biblische Geschichte von der Verstoßung Hagars besser erzählt? Rembrandt oder sein Lehrmeister Pieter Lastman, der Hagar mit ihrem weinenden Bub malte, wie sie Abraham zu fragen scheint: „Ist es wirklich dein Ernst, uns aus dem Haus zu jagen?“

Das Städel-Museum hat in den vergangenen Jahren Maßstäbe gesetzt mit Ausstellungen, die klug und auf erfrischende Weise das Publikum zu packen verstanden. Ein besonderer Höhepunkt war die Van-Gogh-Schau vor zwei Jahren, die anregend zeigte, wie die Marke Van Gogh entstand. Ein Konzept, das längst Nachahmer gefunden hat. Auch die Rubens-Ausstellung „Becoming famous“, die die Staatsgalerie Stuttgart demnächst eröffnen wird, will aufzeigen, mit welchen Strategien Rubens sich unvergesslich machte. Und bei Rembrandt geht es letztlich auch darum, wie er sich seinen Platz in der Kunstgeschichte erkämpfte.

Allzu inspirierend ist das Ergebnis nicht – schade

Das Ergebnis ist allerdings nicht annähernd so inspirierend, wie man es von den Frankfurtern gewohnt ist, weil die Schau sich akademisch auf rein kunstwissenschaftliche Fragen beschränkt. Statt sich mit einzelnen Werken auseinanderzusetzen, sollen Motive, Genres, Malweisen verglichen werden – zum Beispiel weiße Spitzenkragen. Die kamen bei den Amsterdamer Damen der oberen Gesellschaft in den 1630er Jahren in Mode – und viele Porträts warten nun darauf, dass emsige Besucher die Malweise der Spitzen vergleichen.

Wer Geld hatte, ließ sich malen

Es wurden zahlreiche Leihgaben all der Maler zusammenzutragen, die tätig waren, als Rembrandt 1631 nach Amsterdam zog, um Karriere zu machen. Der Kurator Jochen Sander zeichnet ihre verästelten Einflüsse und Konkurrenzen nach. Wer lief wem wann den Rang ab?

Amsterdam erlebte seinerzeit eine wahre Blüte, die Bevölkerung wuchs rasch auf 200 000 Einwohner an. Der Arbeitsmarkt florierte, und man handelte mit Luxusgütern aus aller Welt. Und weil die vielen Menschen, die zu Geld gekommen waren, sich malen lassen wollten, konnte man für die Ausstellung aus dem Vollen schöpfen und zeigt vielerlei Bildnisse und Gruppenporträts, mit denen die Reichen dokumentieren wollten, dass sie sich auch ehrenamtlich engagierten. Die Damen halfen im Frauenzuchthaus aus, die Männer bei der freiwilligen Bürgerwehr. Und die Künstler malten die passenden Bilder dazu.

Bilder in voller Montur sind teurer

So richtig interessant ist es nicht zu erfahren, welche Herrschaften nicht bei Rembrandt bestellten, so, wie auch viele Einzelaspekte die Schau unübersichtlich machen. Markanter sind da die „Optionen der Selbstdarstellung“. Der Preis der Porträts hing davon ab, ob nur der Kopf oder der Körper gemalt werden sollte. Rembrandt schnappte den Kollegen manchen Auftrag weg, weil er die Porträtierten lebendiger darstellte. Aber auch er wurde schon bald entthront von Govert Flinck, dessen helleren Farben die Generation ab den 1640er Jahren plötzlich schicker fand.

Man könnte so anregende Rembrandt-Ausstellungen machen

Steht man nun vor einem von Rembrandts Hauptwerken, dem „Ganymed“, der entführt wurde von Jupiter in Gestalt eines Adlers, dann ahnt man, wie lustvoll eine Rembrandt-Schau sein kann – ob sie sich seinen opulenten Kostümen widmet oder den theatralischen Inszenierungen und nicht nur einzelnen Aspekten, die bestenfalls die Forschung interessieren. Manchmal lohnt es sich, nicht nur zu vergleichen, sondern einzelne Werke auch genauer anzuschauen. So kann man beim „Ganymed“ entdecken, dass der kleine, pummelige und greinende Kerl vor Schreck vom Himmel pieselt.

Was Rembrandt so besonders macht

Großes Theater
Eigentlich war er ein Regisseur: Rembrandt hat seine Szenen dramatisch zugespitzt wie Hollywoodkino. Bei der „Blendung Simsons“ strampelt der arme Mann herzerweichend. Rembrandt nutzte auch raffiniert Licht und Dunkel. Wenn seine Figuren mitunter wie aus dem Nichts ins Helle treten, ist das wie der Anfang eines Films.

Ausstellung
bis 30. Januar, geöffnet von Dienstag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr, donnerstags bis 21 Uhr. Derzeit können Zeitfenster bis Ende November online gebucht werden unter shop.staedelmuseum.de.