In Italien löste das Coronavirus eine Welle an Hamsterkäufen aus, die Regale der Supermärkte waren wie leer gefegt. Wie ist die Lage in Stuttgart und der Region, drei Tage nach dem ersten Infizierten im Südwesten? Wir haben nachgefragt.

Stuttgart - Am Donnerstagnachmittag herrschte in einigen Regalen des Fellbacher Edeka-Markts plötzlich gähnende Leere: Egal ob Nudeln, Konservendosen oder andere Teigwaren – die Lagerbestände mancher Trockenwaren waren restlos aufgebraucht, die Kunden griffen kurzzeitig ins Leere.

 

Nachdem das Coronavirus in Italien einen panischen Ansturm auf die Supermärkte des Landes auslöste, scheinen nun mancherorts auch deutsche Konsumenten für den Extremfall vorsorgen zu wollen. Von Hamsterkäufen und flächendeckenden Engpässen kann nach Informationen der Einzelhandelsriesen Lidl, Aldi Süd und Kaufland sowie der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg allerdings keine Rede sein. Beim Blick auf die Nahversorgung der Region ergibt sich ein angespanntes, aber keineswegs panisches Stimmungsbild: Konservendosen, Teigwaren und das gesamte Trockensortiment seien über Nacht zum Verkaufsschlager an den Supermarktkassen geworden, berichten manche Einzelhändler auf Nachfrage unserer Zeitung. Andere wiederum konnten bis Freitagabend keine nennenswerten Unterschiede im Kaufverhalten ihrer Kunden ausmachen.

Organisatorischer Mehraufwand

Schon jetzt bedeutet die Situation für die betroffenen Märkte aber einen organisatorischen Mehraufwand, zuweilen sind logistische Meisterleistungen oder eine gehörige Portion Eigeninitiative gefragt.

In Fellbach reagierte Inhaber Björn Hansen angesichts der besonderen Umstände kurzerhand mit besonderen Maßnahmen: Der Unternehmer setzte sich am Nachmittag selbst hinter das Steuer seines Firmenwagens und düste ins Edeka-Lager nach Ellhofen bei Heilbronn. Wenig später waren die Regale wieder aufgefüllt – zumindest für einige Stunden: Bereits am Freitag musste in Fellbach erneut aufgestockt werden. „Die Nachfrage im Trockensortiment ist sicherlich um 20 Prozent gestiegen“, sagt Hansen.

Mit dieser Einschätzung ist der Einzelhändler aus Fellbach nicht allein. Auch bei anderen Genossenschaftsmitgliedern der Edeka-Gruppe stieg im Verlauf der Woche der Umsatz von Nudeln und Konservendosen an. Etwas kurios: Die Kunden greifen auch vermehrt zu Gütern wie Nutella oder Schokolade. Beide Süßwaren seien derzeit extrem gefragt, erzählt Willi Bauer, der zwei Edeka-Märkte in der Region führt. Er hat also gleich mehrere Blickwinkel auf die Versorgungslage. Die Kunden scheinen tatsächlich unterschiedlich zu reagieren: „In Sillenbuch merke ich noch gar nichts von irgendwelchen Großeinkäufen. Da haben wir ein eher junges Publikum.“ In der Leinfeldener Dependance des Unternehmens merke man hingegen eine deutliche Veränderung. Willi Bauer sieht das im höheren Durchschnittsalter der Kunden begründet. „Die etwas ältere Kundschaft in Leinfelden hat teilweise noch die Nachkriegszeit mitgemacht. Da erlebt man eine solche Situation vielleicht anders“, vermutet er. Auf den Fildern versucht Bauer die gestiegene Nachfrage nun mit größeren Bestellungen zu kompensieren. Panik möchte der Marktleiter keine aufkommen lassen: „Wir spielen hier nicht verrückt, es wird keiner verhungern. Leere Regale wird es bei uns nicht geben“, sagt er. Auf absehbare Zeit dürften höchstens Desinfektionsmittel zur Rarität werden. „Da werde ich statt einem Karton für die kommende Woche zehn bestellen. Ich mache mir da aber keine allzu großen Hoffnungen“, so Bauer.

Derzeit keine Knappheit von Lebensmitteln

Ähnlich wie die Einzelunternehmer der Edeka-Gruppe sind auch die Pressestellen der großen Marktführer um beruhigende Signale bemüht. „Wir beobachten die Lage sehr genau. Unser wichtigstes Ziel ist es, Mitarbeiter und Kunden zu schützen und die Warenverfügbarkeit für die Bevölkerung sicherzustellen“, heißt es etwa bei Lidl in Neckarsulm. Ähnliche Antworten erhielt unsere Zeitung von Kaufland und Aldi Süd.

Dass sich die Großeinkäufe noch im stemmbaren Rahmen bewegen, kann Christiane Manthey von der baden-württembergischen Verbraucherzentrale in Stuttgart bestätigen. „Eine Knappheit von bestimmten Lebensmitteln ist uns aktuell nicht bekannt“, sagt die Expertin für Lebensmittel. Die Lagerhaltung der Discounter sei ausreichend. Außerdem verfüge die Bundesregierung über Vorräte für absolute Notfälle, die eine Versorgung der Bevölkerung sicherstellen könnten. Doch davon, so lassen sich die Reaktionen in den Märkten der Region und aus der Verbraucherzentrale deuten, ist man derzeit ohnehin weit entfernt.

Was muss im Notfall in die Speisekammer?

Wasservorräte Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) geht davon aus, dass der Mensch täglich zwei Liter Wasser benötigt und empfiehlt daher, für einen 10-Tages-Vorrat stets 20 Liter im Haus zu haben.

Lebensmittelvorräte Bei Getreideprodukten empfiehlt das BBK einen Vorrat von dreieinhalb Kilogramm, Gemüse und Hülsenfrüchte werden mit zweieinhalb Kilogramm, Milchprodukte mit 2,6 Kilogramm, tierische Produkte wie Fleisch und Eier mit eineinhalb Kilogramm sowie Fette und Öle mit 357 Gramm veranschlagt. Andere Produkte wie Schokolade oder Zucker können nach Belieben vorrätig sein.

Informationen Wer auf dem aktuellsten Stand sein möchte, kann sich auf NINA verlassen, die Warn-App für Katastrophenfälle. Ein kostenloser Download steht auf der Webseite des BBK (www.bbk.bund.de) oder über den App-Store zur Verfügung. Unabhängig von der aktuellen Situation hat das BBK einen Ratgeber für das richtige Handeln in Notsituationen erstellt. Der Leitfaden gilt auch für den Umgang mit dem Coronavirus.