Nach einer misslungenen Abschiebung haben Polizisten im vergangenen Mai die Ellwanger Erstaufnahme für Flüchtlinge durchsucht. Ein Richter zweifelt jetzt daran, dass sie das durften.

Ellwangen - Wegen Widerstands gegen Vollzugsbeamte hätten sich am Donnerstag drei Flüchtlinge vor dem Ellwanger Amtsgericht verantworten müssen. Sie sollen sich bei dem Großeinsatz der Polizei in der Landeserstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge (Lea) in Ellwangen (Ostalbkreis) am 3. Mai 2018 drei Tage nach einer missglückten Abschiebung zur Wehr gesetzt haben. Aber aus der Verhandlung wird erst einmal nichts. Stattdessen sind nun die Staatsanwaltschaft, das Aalener Polizeipräsidium und das Stuttgarter Regierungspräsidium, das die Lea betreibt, in Erklärungsnot. Denn der zuständige Richter stellt die Rechtmäßigkeit des Einsatzes infrage – und damit die mutmaßlichen Vergehen der Angeklagten insgesamt.

 

Gelten die Flüchtlinge als Wohnungsinhaber?

Nach der Auffassung des Gerichts handelt es sich dem Schreiben zufolge bei den Zimmern in der Lea nämlich um grundgesetzlich geschützte Wohnungen, und die Flüchtlinge gelten als Wohnungsinhaber. Das geht aus Unterlagen hervor, die unserer Zeitung vorliegen. Das Hausrecht über diese Zimmer habe demnach nicht der Leiter der Einrichtung, sondern der jeweilige Bewohner. Nach Auffassung des zuständigen Richters hätte es also eines richterlichen Durchsuchungsbeschlusses bedurft. Den gab es aber nicht. Wenn aber die Durchsuchung nicht rechtmäßig gewesen ist, dann hätten sich die Angeklagten auch nicht strafbar gemacht.

Geplante Abschiebung scheiterte

Am 30. April 2018 hatte die Polizei in Ellwangen in der Nacht versucht, einen 23-Jährigen aus Togo nach Italien abzuschieben. 150 andere Flüchtlinge sollen damals die Polizisten bedroht haben. Die Beamten zogen sich vorsichtshalber zurück. Drei Tage später kam es dann zu jenem Großeinsatz, der bereits mehrere Strafverfahren gegen Flüchtlinge nach sich gezogen hat.

Das Ellwanger Amtsgericht hat in diesem Zusammenhang bereits mehrere Strafbefehle wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte ausgestellt, die teilweise bereits rechtskräftig sind. Erst in der vergangenen Woche etwa hat ein Beschuldigter einen Strafbefehl über 140 Tagessätze à acht Euro wegen unerlaubter Einreise in zwei Fällen und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte bekommen. Dieser Mann, Alassa M., hat dagegen aber Widerspruch eingelegt. Der Kameruner hatte von sich reden gemacht, weil er gegen den aus seiner Sicht ebenfalls unrechtmäßigen Polizeieinsatz Klage eingereicht hatte. Es gebe unterschiedliche Rechtsauffassungen über die Rechtmäßigkeit des Einsatzes von damals, sagt Norbert Strecker, der Ellwanger Amtsgerichtsdirektor. Sein Kollege habe Zweifel angemeldet. „Diesen Zweifeln wird jetzt nachgegangen.“

Gerichtstermin wurde abgesagt

Dem Vernehmen nach gibt es Fragen, die der Richter gerne geklärt hätte: etwa, warum man auf einen Durchsuchungsbeschluss verzichtet und damals damit argumentiert habe, es sei Gefahr in Verzug gewesen – obwohl das eigentliche Geschehen schon drei Tage zurückgelegen habe.

Das Stuttgarter Regierungspräsidium als Betreiber der Lea verweist ebenso wie die Staatsanwaltschaft Ellwangen auf das Polizeipräsidium Aalen, das den Einsatz verantwortet habe. Die Ellwanger Staatsanwaltschaft bestätigt, dass der Termin am Donnerstag abgesagt wurde. „Zu rechtlichen Fragen äußern wir uns aber nicht“, sagt ein Sprecher. „Wir gehen davon aus, dass wir die Rechtmäßigkeit in diesem Einsatz gewahrt haben“, sagt der Sprecher des Aalener Polizeipräsidiums. „Wir haben uns auf die Möglichkeiten des baden-württembergischen Polizeigesetzes gestützt.“ Die Justiz könne dies prüfen.

Der Aalener Vizepolizeipräsident Bernhard Weber hatte die Razzia damit begründet, dass es Hinweise auf Strukturen in der Lea gegeben habe, mit denen man behördliche Maßnahmen habe unterbinden wollen. Man habe auch nach Waffen gesucht.