Grüne und SPD beschließen umfassende Reformen bei der Bildung, vom Kindergarten bis zur Universität.     

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Für den Ausbau von Kinderkrippen will die künftige grün-rote Koalition in Baden-Württemberg die Grunderwerbssteuer stärker erhöhen als bisher geplant. Statt um einen Punkt soll sie um 1,5 Prozentpunkte auf dann fünf Prozent steigen. Darauf haben sich die beiden Parteien bei den Koalitionsverhandlungen geeinigt, wie ihre Spitzenkandidaten Winfried Kretschmann (Grüne) und Nils Schmid (SPD) am Montag bekanntgaben.

 

Schmid bezifferte die Mehreinnahmen auf etwa 300 Millionen Euro. Sie sollen verwendet werden, um die Ganztagesbetreuung auszubauen und bis spätestens 2013 einen Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz einzuführen. Darüber werde man nun mit den Kommunen verhandeln. Zugleich kündigte er an, einen Ausgleich für soziale Härten zu prüfen. CDU und FDP übten scharfe Kritik an der Steuererhöhung. Sie treffe vor allem junge Familien, die ein Eigenheim erwerben wollten.

Auch das Landeserziehungsgeld wollen Grüne und SPD umbauen und zur Hälfte für eine bessere Betreuung von unter Dreijährigen einsetzen. Die andere Hälfte soll an besonders bedürftige Eltern mit Hartz IV gehen, die kein Elterngeld vom Bund mehr bekommen. Ihre Forderung, die Kindergartengebühren abzuschaffen, hat die SPD bis auf weiteres zurückgestellt. Vorrang habe zunächst der quantitative und qualitative Ausbau der Kinderbetreuung.

Ganztagesschulen sollen flächendeckend ausgebaut werden

Der designierte Ministerpräsident Kretschmann sagte, in den geplanten bildungspolitischen Reformen werde der angekündigte Politikwechsel besonders deutlich sichtbar. Ziel sei es, alle Kinder unabhängig von ihrer Herkunft bestmöglich zu fördern. Dazu wolle man „innovative Schulkonzepte von unten zulassen“ und die Gemeinschaftsschule als Möglichkeit im Schulgesetz verankern. Dort lernen alle Schüler bis zur zehnten Klasse zusammen, ehe sie in die Berufsausbildung oder in die gymnasiale Oberstufe wechseln.

Zugleich kündigte Kretschmann an, Grün-Rot werde Ganztagesschulen im Land „flächendeckend ausbauen“. Dafür werde man bis zu 1500 Lehrerstellen zur Verfügung stellen, die durch die „demografische Rendite“ – also durch den Rückgang der Schülerzahlen – frei würden. Erst gegen Ende der Legislaturperiode würden auch Lehrerstellen eingespart, sagte der SPD-Chef Schmid und relativierte damit frühere Äußerungen. Die Studiengebühren will Grün-Rot spätestens zum Sommersemester 2012 abschaffen.

Der Koalitionsvertrag soll morgen vorgestellt werden. „Das meiste ist verhandelt, es gibt noch Reste“, sagte Kretschmann. Auch über den Straßenbau habe man sich geeinigt. Auf Kritik stieß bei der SPD Kretschmanns Forderung, die Autoindustrie solle weniger Autos bauen. Es gehe nicht um weniger, sondern um andere Fahrzeuge, sagte Schmid.