In Baden-Württemberg sollen in den kommenden Tagen mehrere Sonderzüge mit Flüchtlingen aus Bayern eintreffen. Sie kommen offenbar zunächst in Esslingen an; Grün-Rot will unter anderem Kasernen im Land bezugsbereit machen.

Stuttgart - Angesichts der steigenden Zahl von Flüchtlingen will Baden-Württemberg im großen Stil Kasernen für die Unterbringung nutzen. Es handele sich dabei um Liegenschaften, die der Bund dem Land mietfrei zur Verfügung stelle, sagte Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD) am Dienstag in Stuttgart. Unterdessen appellierte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) noch einmal an den Bund, die Bearbeitung von Asylanträgen deutlich zu beschleunigen.

 

Kurz vor einem für Dienstagabend in Berlin geplanten Treffen der Ministerpräsidenten mit Kanzlerin Angela Merkel warf Kretschmann der schwarz-roten Bundesregierung hier „schwere Versäumnisse“ vor. Baden-Württemberg erwartet in diesem Jahr mehr als 100.000 neue Flüchtlinge - das wären fast viermal so viele wie 2014. Allein in den vergangenen Tagen waren mehrere Tausend Schutzsuchende im Südwesten angekommen, darunter viele, die über Ungarn und Österreich nach Deutschland gekommen waren.

Land stockt Erstaufnahmeplätze auf 25.000 auf

Nach Öneys Angaben hat Baden-Württemberg die Zahl der Erstaufnahmeplätze auf jetzt rund 25.000 hochgeschraubt. Anfang Oktober soll die Marke von 27.000 erreicht sein. Innerhalb der letzten zehn Tage hat Baden-Württemberg nach Kretschmanns Angaben insgesamt fast 10.000 Asylbewerber aufgenommen. Das sei weit mehr, als der bundesweite Verteilschlüssel für Baden-Württemberg vorsehe.

Bei den Kasernen handelt es sich um zum Teil bereits genutzte Gebäudekomplexe in Heidelberg, Donaueschingen, Sigmaringen, Villingen-Schwenningen, Hardheim (Neckar-Odenwald-Kreis) und Mannheim. „Es ist uns klar, dass es Probleme bringt, Flüchtlinge zu konzentrieren“, räumte Kretschmann ein. „Aber was soll sonst die Alternative sein?“ Der Zustrom an Flüchtlingen werde in den kommenden Monaten eher noch zunehmen. Der Bund stelle auch Personal für die Kasernen bereit und setzte die Liegenschaften in Stand.

Am Dienstagabend wollten die Ministerpräsidenten der Länder und Kanzlerin Merkel über Maßnahmen im Umgang mit den Flüchtlingen beraten. Ein Dreh- und Angelpunkt sei die Bearbeitungszeit von Asylverfahren, sagte Kretschmann. Sie müsse von derzeit fünf bis sechs Monaten auf maximal drei Monate verkürzt werden.

Gerade einmal 22 neue Mitarbeiter in Baden-Württemberg

Vor wenigen Monaten hatte sich die Bundesregierung bereit erklärt, die Zahl der Mitarbeiter im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge aufzustocken. Davon seien in Baden-Württemberg aber nur 22 Mitarbeiter angekommen. „Das kann so nicht gehen.“ Auch sieht Kretschmann andere europäische Länder in der Pflicht, mehr Flüchtlinge zu übernehmen. In der EU gehe es nicht nur um den Euro, sondern auch um Ethos.

Kretschmann selbst bleibt verhandlungsbereit beim Thema sichere Herkunftsländer. Er glaube, dass dieses Thema überschätzt werde. Dies habe er schon vor einem Jahr bei seiner Zustimmung im Bundesrat gesagt, als es um die Balkanstaaten Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina ging. Für die nun vor allem von der Union vorangetriebene Ausweitung der Liste benötigt die Bundesregierung im Bundesrat Stimmen der Grünen, die in den Ländern mitregieren.

Befürworter verbinden mit sicheren Herkunftsländern die Hoffnung, dass Asylbewerber leichter in ihre Heimat zurückgeschickt werden können. Für seine Zustimmung im Bundesrat im vergangenen Herbst hatte Kretschmann viel grüne Kritik einstecken müssen. Am vergangenen Sonntag war der linke Parteigrüne Jörg Rupp aus dem Parteirat der Südwest-Grünen ausgetreten. Er hatte diesen Schritt auch mit der grünen Asyl- und Flüchtlingspolitik begründet.

600 Asylsuchende sollen in Rottenburg unterkommen

In Baden-Württemberg sollen unterdessen in den kommenden Tagen mehrere Sonderzüge mit Flüchtlingen aus Bayern eintreffen. Wie das Integrationsministerium mitteilte, sollte ein erster Zug bereits am Dienstagabend ankommen, weitere Züge folgen demnach in den nächsten Tagen. Die Flüchtlinge kämen in Esslingen an und würden von dort aus in die Erstaufnahmeeinrichtungen im Land verteilt.

Weitere Details nannte ein Sprecher nicht. Um die Schutzsuchenden unterzubringen, werde kurzfristig auch eine ehemalige Gewerbeimmobilie in Rottenburg (Kreis Tübingen) als Unterkunft in Betrieb genommen. In der leerstehenden Halle sollten zunächst bis zu 600 Personen untergebracht werden.