Noch haben Grüne und Schwarze nicht die Posten im Kabinett verteilt. Doch auf die künftige Koalition warten bereits weitere Personalentscheidungen: etwa beim Rechnungshof, den Standortwerbern oder der Datenschutzbehörde.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Noch geht es in den grün-schwarzen Koalitionsgesprächen „nur“ um Inhalte. Erst ganz am Ende, wenn Zuteilung und Zuschnitte der Ministerien klar sind, soll auch über Personen entschieden werden. Wer welches Ressort erhalten könnte – darüber wird schon jetzt munter spekuliert. Auch wenn die neue Regierung schließlich im Amt ist, dreht sich das Personalkarussell weiter. In den bisher SPD-geführten Häusern müssen die Amtschefs mit ihrer Ablösung rechnen. Als politische Beamte können sie jederzeit ohne Angabe von Gründen in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden.

 

Aber auch auf den Ebenen unterhalb der politischen Führung muss eine grün-schwarze Koalition bald Personalentscheidungen treffen. Bei wichtigen Institutionen – etwa dem Landesrechnungshof, den Standortwerbern von Baden-Württemberg International oder der Datenschutzbehörde – gilt es, die alten Chefs zu bestätigen oder neue zu installieren. Theoretisch spielt das Parteibuch dabei keine Rolle, praktisch oft sehr wohl. Genauso wichtig wie die Inhalte sind schließlich die Personen, die sie umsetzen – das weiß vor allem die CDU.

Entsprechend konsequent hat sie in den vergangenen Jahrzehnten Schlüsselposten besetzt, wenn nicht mit Parteigängern, dann mit als „zuverlässig“ geltenden Kandidaten. SPD und Grünen war solches machtpolitische Kalkül in den vergangenen fünf Jahren zwar auch nicht fremd, doch in der Umsetzung kamen sie nie an die CDU heran. Eigene personelle Akzente setzten sie im Apparat eher punktuell als flächendeckend – teils auch deshalb, weil sie nicht aus einem so großen Personalreservoir schöpfen konnten wie weiland die „Schwarzen“. Bei den nun anstehenden Entscheidungen wird sich schon bald zeigen, wie grün-schwarze Personalpolitik aussieht.

Rechnungshof Regulär wäre der Chefprüfer Max Munding (CDU) bereits seit zwei Jahren im Ruhestand. Doch er nutzte die Möglichkeit, über die Altersgrenze hinaus zu verlängern – zunächst für ein Jahr, dann für ein zweites. Ausschlaggebend seien alleine die „Freude an der Aufgabe“ und persönliche Gründe, betonte er stets. Grün-Rot argwöhnte hingegen, Munding wolle den Posten bis über die Landtagswahl besetzt halten, auf dass er dann wieder an die CDU falle. Das sei besonders ärgerlich, weil der einstige Regierungsbeamte die frühere Regierung auffällig geschont habe – etwa beim EnBW-Deal oder beim Verkehrsvertrag mit der Bahn.

Nun will der oberste Sparkommissar ein letztes Jahr dranhängen, bis Sommer 2017. Sein Antrag sei „zur Zeit im Verfahren“, teilte die Behörde mit. Ablehnen kann ihn die neue Regierung kaum, wegen der richterlichen Unabhängigkeit der Chefprüfer. Umso spannender ist die Frage, wer nach Munding kommt: wieder ein CDU-Mann? Unter Grün-Rot wurde die Führungsetage in Karlsruhe so schwarz wie nie: auf den einzigen einst von der SPD vorgeschlagene Direktor folgte ein christdemokratischer Beamter aus dem Staatsministerium. Dabei täte gerade der unabhängigen Kontrollbehörde eine gewisse parteipolitische Mischung gut.

BWI Für die Standortwerber von Baden-Württemberg International (BWI) war einst eigentlich eine grün-rote Doppelspitze geplant. Doch aufgrund interner Differenzen kam letztlich nur der Mann der SPD durch: Jürgen Oswald, zuvor Beamter im Wirtschaftsministerium. Seit rund vier Jahren amtiert er nun alleine als Chef der Wirtschaftsfördergesellschaft, die 2015 ihr Dreißig-Jahr-Jubiläum feierte – mit einem sechsstelligen, als „angemessen“ verteidigten Budget. Informationen von mehreren Seiten, wonach sein Vertrag bereits zum Jahresende verlängert werden sollte, widersprach das zuständige Finanz- und Wirtschaftsressort: man habe keineswegs vor der Wahl Fakten schaffen wollen. Nun steht die Entscheidung des bisher von Nils Schmid (SPD) geführten Aufsichtsrates im Sommer an. Ginge es noch nach ihm, wäre die Sache klar. „Jürgen Oswald hat sich in seiner Funktion bewährt. Er hat das Unternehmen inhaltlich und organisatorisch weiterentwickelt und zukunftsfähig aufgestellt“, ließ er vor der Wahl ausrichten. Entscheiden müsse freilich das Kontrollgremium – dessen Besetzung sich nun ändern dürfte. Interessant ist vor allem, welche personellen Vorstellungen die künftigen CDU-Vertreter haben.

Datenschutz Ende April geht der Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, Jörg Klingbeil, altershalber in den Ruhestand. Ein Nachfolger ist noch nicht in Sicht. Es seien zwar „Personalüberlegungen angestellt“, aber „nicht konkret weiterverfolgt“ worden, hatte der Chef der Staatskanzlei, der Grüne Klaus-Peter Murawski, auf eine FDP-Anfrage hin mitgeteilt. Wie schon 2009 wird die Wiederbesetzung damit zur Hängepartie. Ein Zeichen von Desinteresse an der Position, die gerade erst durch mehr Kompetenzen und Personal aufgewertet wurde? Keineswegs, verlautet aus der Regierungszentrale. Man habe die Personalie aus dem Wahlkampf heraushalten wollen. Offiziell aus dem gleichen Grund hatte Klingbeil um zwei Monate verlängert. Tatsächlich, grummeln Grüne, habe er so eine frühere Lösung erschwert. Nun wird mit Spannung erwartet, wen die neue Koalition dem Landtag vorschlägt. Für die Grünen ist das besonders wichtig: als Beauftragter für Informationsfreiheit steht der oder die Neue schließlich auch für die Transparenz, die ihnen so wichtig war, der CDU hingegen deutlich weniger.

Bürgerbeauftragter Schwer tun könnte sich das neue Bündnis auch mit einer Position, die eilends kurz vor Schluss der Legislaturperiode geschaffen worden war: der des Bürger- und Polizeibeauftragten – eine Art Ersatz dafür, dass die Kennzeichnung von Polizeibeamten doch nicht kam. Die Opposition hielt den neuen Posten für komplett überflüssig. Die Suche nach einem geeigneten Kandidaten ist laut Staatsministerium noch nicht einmal angelaufen, das genaue Procedere werde die neue Regierung festlegen – wenn sie das Amt nicht wieder streicht.

Im Koalitionsvertrag wird sich zu solchen und anderen Posten wohl wenig finden. Formal werden sie schließlich nach Eignung, Befähigung und Leistung besetzt, da können die Parteien schlecht Zugriffsrechte festschreiben. Doch erfahrungsgemäß finden sich Wege, um sich abseits der offiziellen Vereinbarung zu verständigen – so war es jedenfalls bisher. Diese oder jene Partei, hieß es dann, habe für bestimmte Positionen ein „Vorschlagsrecht“.