In München boomt die Gründermesse „Bits & Pretzels“. Nicht zufällig findet das Festival während des Oktoberfestes statt, und die allermeisten Besucher passen sich dem bajuwarischen Dresscode nur zu gerne an.

München - Von den Brezen könnte eine größere Werbewirksamkeit ausgehen: Statt knusprig und frisch liegen sie zwar zahlreich und kostenlos, aber lätschert und zäh auf den Tischen. Doch die Veranstaltung drum herum, die Bits & Pretzels, die boomt. Was 2014 in München mit einem Weißwurstfrühstück begonnen hat, ist mittlerweile – in der aktuell vierten Ausgabe – zur größten Start-up-Börse (mindestens) in Deutschland geworden. Vom „griabigen“ Löwenbräukeller ist die dreitägige Gründermesse ins eher sterile Münchner Kongresszentrum umgezogen; hier treffen sich in diesen Tagen 5000 Unternehmensgründer und Investoren, Studenten und Journalisten. Sie suchen einander regelrecht: zum Kontakteknüpfen, zur Werbung, zur Suche nach Finanzierung, zum Lernen, wie man’s macht und was man besser nicht macht, wenn man als junger Mensch eine Idee hat, die man vermarkten zu können glaubt.

 

Und Gurus sind auch dabei: unter ihnen Kevin Spacey, Schauspieler und Geldgeber, Richard Branson von Virgin (Musik, Mobilfunk, Luftfahrt), und André Schwämmlein, der in nicht mal einer Handvoll Jahren sein Flixbus zum Fast-Monopolisten in Deutschland gemacht hat. Viel Hightech gibt’s natürlich; sie will Lücken füllen, in die große Konzerne (noch) nicht vorgedrungen sind: Via-Light zum Beispiel, das ein Lasersystem zur Kommunikation zwischen fliegenden Objekten in und jenseits der Erdatmosphäre entwickelt. Oder auf der anderen Seite: Da entwickeln bayerische Jungs vom Bauernhof die Plattform „Agrando“, die dem Generationswechsel in der technologisch bisher sehr konservativen Landwirtschaft auch den passenden Internet-Marktplatz für Kauf von Saatgut, Geräten etc. zur Verfügung stellt.

Volles lokales Selbstbewusstsein

Da präsentiert sich die erstmals robotergesteuerte Verarbeitung hochkomplexer Carbonfaser-Strukturen (Cevotec) oder – mit dem Unternehmen Navvis – die nach eigenen Angaben einzige technologische Plattform, die eine Art „Google Street View“ für das Innere von Gebäuden entwickelt hat: von Fabriken, Museen, Flughäfen zum Beispiel – nur viel umfangreicher, viel informativer, viel vernetzter als „Street View“, darüber hinaus zentimetergenau.

Und da sind die Unternehmen, die glauben, selbst in den umkämpftesten und mit E-Kommerz übersäten Arealen noch immer Fuß fassen zu können: im Tourismusgewerbe beispielsweise. „Maßgeschneiderte Premiumreisen“ verspricht das Münchner Start-up Fineway, das mit „digitaler Empathie“ die ganz persönlichen Wünsche der Kunden innerhalb weniger Minuten aus ihren Internetklicks erschließen will.

Voll von Väterstolz treten die diversen Förderagenturen auf, über die der Freistaat Bayern jährlich Dutzende von Millionen Euro in seine junge Zukunftswirtschaft pumpt. Voller lokalen Selbstbewusstseins raten die Veranstalter auch ganz offiziell – und mit flächendeckendem Erfolg – dazu, auf der Bits & Pretzels in Dirndl und Lederhose zu erscheinen; Konferenzsprache ist genauso flächendeckend Englisch.

Ein Karussell als Bierbar

In der Mitte der großen Ausstellungshalle dreht sich ein Karussell als Bierbar. Und wenn man die Teilnehmer fragt, warum sie nach München angereist sind, zum Teil aus Australien, dann rühmen sie den „Ideenreichtum“ dort und das Networking, das sie da betreiben könnten. Oder wie der Berliner Unternehmer Alexander Stelmaszyk, der das Spannbetttuch neu erfunden hat (Buddysleep): Sie heben den „Fun-Faktor“ hervor, mit dem sich München von den „eher drögen Konferenzen dieser Art in irgendwelchen Hotelkellern“ unterscheide: „Hier sind die Leute viel lockerer und offener.“ Zum Abschluss geht’s an diesem Dienstag denn auch ganz zünftig aufs Oktoberfest. Eines der ganz großen Bierzelte ist da reserviert für Bits & Pretzels. Zum großen Reden, zum großen Austausch, zum Absingen der „Bavarian Startup Gstanzln“ und natürlich: zum „Yodeling“, für alle, die wollen.