Für die Bauern reicht es nicht mehr, eine gerade Furche durch den Acker ziehen zu können – immer mehr sind sie als Unternehmer gefragt. Die Digitalisierung auf den Höfen wird diesen Trend noch verstärken, kommentiert unser Wirtschaftsredakteur Ulrich Schreyer.

Wirtschaft: Ulrich Schreyer (ey)

Berlin - Wenn die Grüne Woche an diesem Freitagihre Pforten für die Besucher öffnet, werden schätzungsweise wieder 400 000 Besucher in die Hallen unter dem Berliner Funkturm strömen. An den Ständen von 1660 Ausstellern können sie dann verkosten, was die weite Welt der Landwirtschaft so zu bieten hat. Längst ist die Landwirtschaft ein globales Gewerbe – ein Gewerbe, von dem auch die deutschen Bauern profitieren. Der Industriestaat Deutschland ist weltweit der drittgrößte Exportmarkt für landwirtschaftliche Güter, auch bei den Importen rangiert er auf Platz drei. Gerade die Exporte haben mit dafür gesorgt, dass die Bauern in den vergangenen Monaten wieder mehr Geld für Milch und Fleisch erhielten.

 

Der böse Bube ist nicht immer der Wettergot

Dennoch aber scheint sich die im Augenblick noch gute Stimmung auf den Dörfern zwischen Kiel und Konstanz bereits wieder etwas einzutrüben. Der Druck auf die Preise und damit die Einkommen steigt nach den Angaben des Bauernverbandes bereits wieder – ein Beispiel dafür, dass die Bauern mit mehr Unsicherheiten als früher leben müssen. Der böse Bube ist dabei nicht einmal in erster Linie der Wettergott – mit diesem mussten sich die Landwirte schon immer arrangieren. Doch nachdem die staatlichen Aufkäufe von Überschüssen der Agrarwirtschaft abgeschafft wurden, Milchseen ausgetrocknet und Butterberge abgebaut worden sind, spielt der Markt eine weit größere Rolle als früher. Für die Bauern reicht es nicht mehr, eine gerade Furche durch den Acker ziehen zu können – immer mehr sind sie als Unternehmer gefragt. Die Digitalisierung auf den Höfen wird diesen Trend noch verstärken.

Druck auf Landwirte wächst

Der Druck wächst aber auch durch die gestiegenen Anforderungen der Gesellschaft an die Landwirte. Der Deutsche Bauernverband hat dies erkannt – statt auf Abwehr setzt er nun auf „Weiterentwicklung“ der Landwirtschaft, wie Bauernpräsident Joachim Rukwied formuliert. Dem Klimaschutz soll ebenso wie dem Wohl der Tiere in den Ställen mehr Rechnung getragen werden – doch den schönen Absichtserklärungen der Bauernfunktionäre müssen in den nächsten Jahren konsequente Taten folgen.

Gut 40 Prozent ihres Einkommens erhalten die Bauern von der öffentlichen Hand. Und der Steuerzahler verlangt von einer Branche, die er sich so viel kosten lässt, mehr als die Bereitstellung von Nahrungsmitteln. Zunehmend interessiert er sich dafür, was etwa an Düngemitteln und Pflanzenschutzmitteln auf die Äcker kommt. Natürlich kauft nicht jeder Bio, der in Umfragen den ökologischen Landbau preist. Doch dass die Zahl der Biobetriebe wieder zunimmt, ist ein Indiz für den Bewusstseinswandel. Dies könnte besonders der kleinräumigen Landwirtschaft im Südwesten Chancen bieten.

Künftig wird es eher weniger Geld geben

Solches zu erkennen, aber auch andere Einkommensquellen – wie etwa Urlaub auf dem Bauernhof – zu erschließen, das wird in Zukunft den Landwirt als Unternehmer ausmachen. Und gerade als solcher wird er künftig gefragt sein. Dies auch deshalb, weil die Diskussion um den EU-Agrarhaushalt nach 2020 bereits in vollem Gange ist. Noch gibt es keine Beschlüsse – aber die Auguren sind sich weitgehend darüber einig, dass es nicht mehr Geld als bisher geben wird, sondern eher weniger. Allein der Brexit dürfte nach ersten Schätzungen ein Loch von drei Milliarden Euro in den Agraretat reißen. Auch für die kommenden Verteilungskämpfe brauchen die Bauern den Rückhalt der Gesellschaft. Weitsichtige Unternehmer bekommen diesen eher als Landwirte, die als Subventionsempfänger abgestempelt werden können.

ulrich.schreyer@stzn.de