Die Grünen im Wahlkreis Leonberg/Herrenberg nominieren den 26-jährigen Peter Seimer.

Weil der Stadt - Bernd Murschel muss selbst schmunzeln. „Ich freue mich, dass du in meine Fußstapfen trittst“, sagt er und blickt weit nach oben, zu dem groß gewachsenen Peter Seimer. Das wird schwierig mit dem Nachtreten. Seimer hat Schuhgröße 47, erzählt er später, und Bernd Murschel nur Größe 40.

 

Auch sonst herrscht nur gute Laune bei den Grünen aus Leonberg, Herrenberg, Renningen, Weil der Stadt und Umgebung am Donnerstagabend. Murschel, der „Landtags-Bernd“, wie sie ihn hier nennen, sitzt ganz hinten im Weil der Städter Gemeindehaus. Seit 2006 sitzt er im Landesparlament, damals mit nur 16 weiteren grünen Abgeordneten und nicht ahnend, was später passieren würde. Denn mittlerweile ist die Öko-Fraktion 47 Mitglieder stark, stärkste Kraft im Parlament, etablierte Ministerpräsidenten-Partei. „Wir sind äußerst beliebt“, sagt Murschel in seinen Abschiedsworten und verweist auf eine Umfrage, die unsere Zeitung am selben Tag veröffentlich hatte: 36 Prozent würden im Land zurzeit grün wählen, die CDU ist mit 23 Prozent weit abgeschlagen.

Grüne wollen das Direktmandat verteidigen

Bei den Landtagswahlen im kommenden März aber will Bernd Murschel nicht mehr antreten. Vier Frauen und Männer werfen deshalb ihren Ring in den Hut, nur der Sindelfinger Florian Hassler zieht seine Kandidatur am Abend zurück. Am Ende ist der Wettbewerb ein Duell: 17 Stimmen gehen an die Leonbergerin Sibylle De Mott, und Applaus brandet auf, als die 35 Stimmen an Peter Seimer bekannt gegeben werden. Das Ziel, das ihm seine grünen Parteifreunde mit auf den Weg geben, ist klar: An dem 26-Jährigen liegt es nun, das Direktmandat zu verteidigen, das Murschel 2016 der CDU-Frau Sabine Kurtz abgerungen hat.

„Hast du einen Joker“, will ein bereits im Wahlkampf-Duktus befindliches Parteimitglied in der Fragerunde von Peter Seimer wissen, „wie du das Mandat gegen die christlich-fundamentalistische Landtagsvizepräsidentin halten willst?“ Sein Joker, sagt Seimer, sei die grüne Politik: „Wir sind keine Ein-Themen-Partei, wir haben viele Pfeile im Köcher, die ich alle abschießen will.“

Die Pfeile, die er für wichtig hält, stellt er in seiner kurzen Bewerbungsrede vor. Ein rhetorisches Feuerwerk liefert er nicht ab, ruhig und sachlich spricht er, fixiert, und fängt die Menschen im Raum mit seinem Lächeln. Für gesellschaftlichen Zusammenhalt stehe er, für soziale Gerechtigkeit und effektiven Klimaschutz. „Unsere Ziele und Vorhaben beim Klimaschutz in Baden-Württemberg müssen ambitionierter werden“, fordert er und macht klar, dass er mit dem Regierungshandeln seiner Parteifreunde in Stuttgart in den vergangenen zehn Jahren nicht zufrieden ist: „Wir müssen größere Linien zeichnen und diese umsetzen.“ Das umfasse viele Bereiche, die der Veränderung bedürfen – die Stromwende, Wärmewende, Agrarwende, Verkehrswende, Finanzwende. Mit grünen Themen schwarze Zahlen zu schreiben, sei dabei möglich.

Peter Seimer ist dem Wahlkreis verbunden, erst hat er in Weil der Stadt gelebt, nun in Aidlingen-Dachtel. Wirtschafts- und Steuerrecht hat er in Ludwigsburg studiert, seit 2018 arbeitet er in Stuttgart als Steuerfahnder. Einige schmunzeln in Raum, als Seimer das erzählt, ein durchaus unkonventioneller Beruf. Der sich womöglich auch in seinen Inhalten niederschlägt. „Ich möchte auch eine neue Stimme sein in Sachen neue Politikfelder“, sagt er in seiner Rede. „Die Innenpolitik gilt bislang nicht als grünes Steckenpferd – das möchte ich ändern.“ Der Kandidat fordert das erste grün geführte Innenministerium Deutschlands in Baden-Württemberg, denn dort würden viele grüne Anliegen geregelt. Als Beispiele nennt Seimer Abschiebungen oder der Umgang der Polizei mit anders aussehenden Menschen. „Aber auch bei scheinbar profanen Dingen wie Autos, die auf Radwegen abgestellt wurden, kann das Innenministerium mehr Kontrollen anordnen.“

Beeindruckende Parteilaufbahn

Seine nur 26 Lebensjahre sieht er nicht als Hinderungsgrund. „Wer fragt, ob ich genügend Lebenserfahrung habe, dem möchte ich Folgendes sagen“, setzt er an und nennt seine durchaus beeindruckende Parteilaufbahn: Eintritt bei den Grünen mit 19, Co-Vorsitzender des Kreisverbandes Böblingen von 2015 bis 2018, Mitglied im Landesvorstand von 2017 bis 2019.

Die Mehrheit der 55 anwesenden grünen Parteimitglieder überzeugt all das. Uneins sind sie sich erst bei der Aufstellung der Zweitkandidatin, als Sibylle De Mott und Franziska Deutschle, die Kreisvorsitzende, jeweils 27 Stimmen bekommen. Einen weiteren Wahlgang später siegt Deutschle mit 28 Stimmen.

„Ein solches Mandat ist kein Job, sondern eine Berufung“, sagt Bernd Murschel am Ende. Peter Seimer werde ein tolles Büro vorfinden, wenn er das Mandat im kommenden Jahr denn halten könne. „Jetzt machen wir noch ein Jahr gemeinsam Politik“, sagt Murschel , „und dann werde ich dich gerne begleiten – wenn du das willst“.