Die Waiblinger Stadtverwaltung prüft alle Grundstücke, die in städtischem Besitz sind, auf ihre Tauglichkeit, um dort kostengünstigen Wohnraum zu erstellen. Doch manche Bürger pochen auf ihre Wohnlage am Ortsrand und protestieren – auch im Gemeinderat.

Waiblingen - So viele Besucher hat man bei einer Gemeinderatssitzung in Waiblingen seit Jahren nicht mehr gesehen: Rund 250 Bürger drängten sich am Donnerstagabend im Ratssaal, standen bis auf den Balkon und ins Foyer hinaus. Der Anlass für das ungewöhnlich große Interesse an der Lokalpolitik: Die Verwaltung hat bei einem Suchlauf erfasst, welche Grundstücke in ihrem Besitz sind und will nun prüfen, welche dieser Flächen grundsätzlich für eine Bebauung geeignet wären. Denn derzeit geht man davon aus, dass bis zum Jahr 2030 mindestens 1400 neue Wohnungen gebraucht werden. Hinzu kommt noch der Wohnraum, der benötigt wird, um geflüchtete Neubürger unterzubringen.

 

Die Inventur in Sachen Grundstücke hat offenbar insbesondere Bewohner des Gebiets Galgenberg II aufgeschreckt. Auch in dieser Wohngegend, die auf dem Immobilienmarkt als „beste Wohnlage“ oder „Traumlage“ angepriesen wird, besitzt die Stadt größere Flächen, die sich an die bestehende Wohnbebauung anschließen. Und auch diese Flurstücke werden – wie alle anderen städtischen Areale – daraufhin überprüft, ob eine Bebauung dort möglich und sinnvoll ist.

Pochen auf die „unantastbare Ortsrandlage“

Dass die Flächen beim Galgenberg im ersten Durchlauf als „zu untersuchende Arrondierungspotenziale“ klassifiziert wurden, kommt bei vielen Bewohnern nicht gut an. In der Bürgerfragestunde erschienen sie mit einem Fragenkatalog, den der Oberbürgermeister Andreas Hesky trotz der gereizten bis aggressiven Atmosphäre sachlich beantwortete.

Auf die Behauptung einer Bürgerin, die Stadt habe versprochen, dass die Ortsrandlage „unantastbar“ sei, erwiderte der OB: „Eine Garantie, dass eine Randlage Randlage bleibt, kann niemand geben.“ Auch die Menschen, die im Galgenberg I wohnten, hätten „immer gehofft, dass es keinen Galgenberg II gibt“, argumentierte Hesky. „Nur wenige sagen: Hurra, ich bekomme neue Nachbarn.“ Und so stoße die Forderung, die Stadt solle Flächen im innerstädtischen Bereich bebauen, bei den Bewohnern der Kernstadt auf wenig Begeisterung: „Die sagen, warum nehmt ihr uns unsere letzten grünen Flächen weg?“

Die Bürgerschaft, appellierte Hesky an die Anwesenden, solle doch bitte nicht nur die eigene Umgebung sehen, sondern die ganze Stadt. Für den Fall, dass die am Galgenberg gelegenen Flächen tatsächlich Bauland werden sollten, stellte Hesky eine „adäquate Bebauung, die in die Landschaft und ins Stadtbild passt“, in Aussicht und widersprach der Vermutung eines Bürgers, man plane eine „einfache Bebauung in Holzständerbauweise“ und erzeuge so eine Wertminderung für die Eigentümer.

Erst müssen Gutachten her

„Der Galgenberg ist ein reines Wohngebiet. Wie will man da Menschen integrieren, es gibt ja nicht mal einen Einkaufsladen“, argumentierte eine Bürgerin gegen kostengünstigem Wohnungen in dem hochpreisigen Gebiet. „Das ist ein Widerspruch“, sagte der OB: „Wenn ich Menschen irgendwo integrieren kann, dann in einem Wohngebiet.“ Was man nicht wolle, sei eine Ghettoisierung. Auf das Argument, die Flächen dienten als Kalt- und Frischluftschneisen und Lebensraum für Fledermäuse, Hase und Co. antwortete Hesky, die Artenschutz und Frischluft werde die Verwaltung prüfen. Sobald Gutachten vorlägen, dürften die Bürger sie einsehen.

Der ökologische Aspekt war es auch, der die Fraktion der Alternativen Liste (Ali) zu dem Antrag veranlasste, die Stadt solle unter anderem die Flächen am Galgenberg aus dem Suchlauf nehmen. Das sei seit mehr als 20 Jahren ein Anliegen der Ali, sagte deren Fraktionsvorsitzender Alfonso Fazio, und bemerkte dann in Richtung der applaudierenden Bürger: „Nehmen Sie das nicht als persönliche Unterstützung. Ginge es nach dem Willen der Ali-Fraktion, dann würden Sie hier gar nicht wohnen.“

In der Sitzung am 21. Juli werden die in Frage kommenden Flächen vorgestellt.