Ercan Karakoyun vertritt in Deutschland die Gülen-Bewegung. Bei seinem Auftritt in Stuttgart rechnet er mit Erdogan ab.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Stuttgart - Nein, eine frohe Botschaft hat Ercan Karakoyun nicht. Er sei „sehr skeptisch“, sagt der Repräsentant der Gülen-Bewegung in Deutschland im Kursaal von Bad Cannstatt. Dieses Urteil bezieht er nicht nur auf die Türkei, sondern auch auf die Lage von Hizmet, wie die nach dem Prediger Fethullah Gülen benannte Organisation sich selbst bezeichnet.

 

Es finde eine „regelrechte Hexenjagd auf uns“ statt, sagt Karakoyun. Angesichts dieser Zustände rät er den Gülen-Anhängern, aus der Türkei auszuwandern. Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan beschimpft die Hizmet-Bewegung als terroristische Vereinigung, die für den Putsch im vergangenen Jahr verantwortlich sei.

Abends rollen die Panzer

„Abends rollten die Panzer, morgens war der Putsch niedergeschlagen und am nächsten Tag war ich schuld“, liest Karakoyun aus seinem Buch „Die Gülen-Bewegung. Was sie ist, was sie will“, das er in Bad Cannstatt vor rund 250 Zuhörern vorstellte. Dezent war in der Nähe des Kursaals ein Polizeifahrzeug postiert.

Karakoyun ist in Schwerte bei Dortmund geboren und aufgewachsen. Er ist politisch in der SPD sozialisiert und hat als Stipendiat der Friedrich-Ebert-Stiftung Raumplanung in Dortmund studiert. Seine Heimat hat er seit zwei Jahren nicht mehr betreten, Ankara hat gegen den 37-Jährigen ein Einreiseverbot ausgesprochen.

Die „Hexenjagd“ nach Deutschland gebracht

Karakoyun beklagt, dass die „Hexenjagd“ von den Anhängern Erdogans auch nach Deutschland getragen worden sei. „Ich habe Morddrohungen bekommen, und wir dürfen in vielen Moscheen nicht mehr beten.“ Die Lesung in Bad Cannstatt ist eine permanente Anklage gegen Erdogan, der nicht nur seine Macht, sondern auch den Islam missbrauche. Im Munde des türkischen Staatspräsidenten sei die Religion zur bloßen Ideologie verkommen, sagt Karakoyun.

Doch haben die Gülen-Anhänger nicht über viele Jahre gemeinsame Sache mit Erdogan gemacht? An zentralen Stellen des Machtapparates saßen Hizmet-Leute, die den Abbau der Demokratie nicht gerade aufhielten. „Wir haben Fehler gemacht“, räumt Karakoyun ein, zu lange hätten die Gülen-Anhänger geschwiegen, viele hätten auch vom eigenen Aufstieg im Machtsystem Erdogans profitiert. „Das war ein Tiefpunkt in unserer Geschichte“, sagt er. „Wir hätten früher aufwachen müssen.“

Trennung von Staat und Religion

Nun aber präsentiert Karakoyun in seinem Buch einen krassen Gegenentwurf zu dem Staatsverständnis des türkischen Präsidenten. „Wir sind für eine strikte Trennung von Staat und Religion“, unterstreicht er immer wieder. „Ich weiß, dass Islam und Demokratie keine Widersprüche sind.“

Am Ende versucht Karakoyun, den Anhängern des Predigers Gülen doch noch Hoffnung mit auf den Weg zu geben. Die Krise könne auch als Chance gesehen werden, erklärt er. Immer wieder habe es sich in der Geschichte gezeigt, dass Gemeinschaften an Rückschlägen auch wachsen können.